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Qualitätsdimension 11: Beteiligung und Partizipation

Frühe Hilfen sind geprägt von einer wertschätzenden und auf Vertrauen basierenden Grundhaltung in der Arbeit mit Familien. Die Beteiligung und Partizipation von Familien stellen hierbei ein entscheidendes und übergreifendes Handlungsprinzip dar. Ziel ist es, dass Familien zu aktiv Gestaltenden ihrer Beratungs- und Unterstützungsprozesse werden.

In einer partizipativ ausgerichteten Umsetzung der Frühen Hilfen ermöglichen Fachkräfte den Familien, aktiv zu entscheiden. Eine umfassende Partizipationskultur kann dann entstehen, wenn Prozesse der Beteiligung und Partizipation als grundlegendes Prinzip systematisch verankert sind. Hierdurch können Strukturen entstehen, welche Familien dazu motivieren, ihre Beteiligungsrechte tatsächlich auszuüben und in Anspruch zu nehmen. 

In dieser Qualitätsdimension werden Aspekte zur Planung, Reflexion sowie zur Durchführung von Beteiligung und Partizipation thematisiert. Die folgenden Inhalte beruhen unter anderem auf der Publikation Partizipation in den Frühen Hilfen, die das NZFH in der Reihe "Impulse für Fachkräfte" veröffentlicht hat. 

Das Grundverständnis und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit Familien werden in der Qualitätsdimension 7: Zusammenarbeit mit der Familie fokussiert.

Zentrale Fragen im Überblick

  • Welches Verständnis haben Akteure im Netzwerk Frühe Hilfen von Beteiligung und Partizipation?
  • Wo liegt der Unterschied zwischen Beteiligung und Partizipation und welche Abstufungen gibt es?
  • Welche Kompetenzen und fachliche Haltung sind für partizipative Prozesse notwendig?
  • Welche Voraussetzungen sowie Rahmenbedingungen sind für gelingende Partizipationsprozesse entscheidend?

Hinweis: Beteiligung und Partizipation ist als Grundpfeiler der Qualitätsentwicklung in den Frühen Hilfen in den verschiedenen Dimensionen enthalten. Zudem wurde das Thema als Handlungsprinzip in der Zusammenarbeit mit Familien im Qualitätsrahmen 2.0 als eigene Dimension aufgenommen. Zur konkreten Bearbeitung kommen auch Praxismaterialien aus anderen Dimensionen zum Einsatz, zum Beispiel aus den Dimensionen Netzwerk oder Qualifizierung und interprofessionelles Lernen.

Themen und Ziele der Qualitätsdimension Beteiligung und Partizipation

Verständnis und Bedeutung von Beteiligung und Partizipation

  • Akteure Früher Hilfen kennen die unterschiedlichen Bedeutungen von Beteiligung und Partizipation und reflektieren das eigene sowie gemeinsame Verständnis hierüber.
  • Das Netzwerk Frühe Hilfen entwickelt ein gemeinsames Verständnis von Beteiligung und Partizipation. 
  • Alle Akteure in den Frühen Hilfen verstehen Beteiligung und Partizipation als gemeinsame Handlungsgrundlage und haben diese in ihre jeweiligen Tätigkeitsbereiche implementiert.

Partizipative Haltung und Fachkompetenz

  • Familien werden von Akteuren der Frühen Hilfen als aktiv Handelnde der Hilfe- und Unterstützungsprozesse angesprochen. Ihre Stärken, Ideen und Ressourcen bilden die Grundlage in der Zusammenarbeit.
  • Im Netzwerk der Frühen Hilfen besteht das Selbstverständnis, aktiv auf Familien zuzugehen und ihnen aufmerksam zuzuhören. Die Fachkräfte in den Frühen Hilfen interessieren sich für die Lebenswelt und Lebenswirklichkeit von schwangeren Frauen und Familien mit Kleinkindern.
  • Familien werden in ihrer Selbstbestimmung und mit ihren Eigenheiten anerkannt und ihnen wird Vertrauen entgegengebracht. 
  • Die Akteure in den Frühen Hilfen akzeptieren die Lebensbewältigungsstrategien, Problemwahrnehmungen und Lösungsvorstellungen der Familien. Ihre Lebenssituation und ihr Wille sind der wichtigste Ausgangspunkt im Hilfe- und Unterstützungsprozess. Fragen, Ideen sowie Kompetenzen der Eltern geben die Richtung vor.
  • In lösungsfokussierten Gesprächen heben die Akteure der Frühen Hilfen die Stärken und Ressourcen zur Vergegenwärtigung der Handlungsfähigkeit und Eigenständigkeit der Familien hervor.
  • Es findet eine regelmäßige Reflexion des eigenen professionellen Handelns in Bezug auf Beteiligung und Partizipation der Familien im Netzwerk Frühe Hilfen statt.
  • Für den Auf- und Ausbau der partizipativen Haltung findet im Netzwerk ein regelmäßiger Austausch zu theoretischem Wissen, praktischen Erfahrungen und Methodenwissen sowie zu verinnerlichten Überzeugungen statt.

Passendes Praxismaterial aus der Dimension Qualifizierung und interprofessionelles Lernen

Kompetenzen zur bedarfsgerechten Unterstützung von Familien

Fachliche Weiterentwicklung und Selbstreflexion

Abstufungen und Formen von Beteiligung und Partizipation

  • Im Netzwerk der Frühen Hilfen kennen die Akteure den Unterschied von Partizipation und Formen der Beteiligung (zum Beispiel auf Grundlage der Partizipationspyramide - siehe unten).
  • In den jeweiligen Tätigkeitsbereichen der Frühen Hilfen besteht Klarheit darüber, an welchen Stellen, wie und ob eine aktive Einflussnahme der Familien auf Entscheidungen in den jeweiligen Hilfe- und Unterstützungsprozess bereits ermöglicht und noch ausgebaut werden kann. 
  • Akteure der Frühen Hilfen und Familien überlegen gemeinsam, in welcher Form sie beteiligt werden können und möchten. 
  • Familien wirken an Entscheidungen im Unterstützungsprozess mit und können damit Einfluss auf den Ausgang der Entscheidungen nehmen.
  • Bestehende und neu geplante Angebote für Familien werden regelmäßig analysiert und dahin gehend geprüft, ob Partizipationsmöglichkeiten etabliert bzw. erweitert werden können.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gelingender Partizipationsprozesse

Zusammenarbeit mit Familien

  • Familien entscheiden über ihre Hilfe- und Unterstützungsprozesse und üben damit ihr Recht auf Mitbestimmung und Partizipation aus. 
  • Es ist festgelegt, wie Familien darüber informiert werden, dass sie sich in die Ausgestaltung der Frühen Hilfen an ihrem Wohnort wirksam einbringen können. Die Akteure der Frühen Hilfen werben aktiv bei den Familien dafür, sich einzubringen.
  • Die aktive Ansprache zur Ermittlung von Bedarfen und Interessen ist strukturell verankert, d. h. in institutionelle Verfahren eingebettet. Es ist geklärt, wie und mit welchen Methoden die Bedarfe erhoben werden und wie diese regelmäßig überprüft werden. Zudem wurde festgelegt, wie und mit welchen Akteuren die anschließende Ergebnisauswertung erfolgt.
  • Familien werden bei der Konzeption neuer Angebote von Beginn an aktiv bspw. durch aufsuchende Arbeit angesprochen und einbezogen, um ihre Ideen bzgl. Form, Inhalt, Ausrichtung und Umfang einfließen zu lassen. Dabei werden einladende Formen der Kommunikation gewählt.
  • Kommunikationswege sind so gestaltet, dass die Arbeitsprozesse deutlich werden und die Familien Zugang zu wichtigen Informationen und Entscheidungsgrundlagen haben.
  • Wichtige Entscheidungen bei der konkreten Umsetzung der Frühen Hilfen werden unter Berücksichtigung der bestehenden Rahmenbedingungen gemeinsam mit den Familien getroffen und sind konzeptionell abgesichert.

Professionelle und organisationale Ebene

  • Familien entscheiden über ihre Hilfe- und Unterstützungsprozesse und üben damit ihr Recht auf Mitbestimmung und Partizipation aus. 
  • Im Hilfe- und Unterstützungsprozess der Frühen Hilfen besteht für alle Beteiligten Transparenz darüber, auf welche Weise Entscheidungen getroffen werden, welche die Familien direkt betreffen. 
  • Zur Entstehung einer Partizipationsstruktur sind die Unterstützungs- und Hilfeleistungen der Frühen Hilfen systematisch an dem Willen und der Nachfrage von Familien orientiert. Weiterhin werden Familien aktiv darin unterstützt, sich ihre eigene Meinung zu bilden und diese vertreten zu können (Empowerment). 
  • Möglichkeiten zur aktiven Einflussnahme der Familien auf Entscheidungen in Hilfe- und Unterstützungsprozessen wurden in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen der Frühen Hilfen strukturell verankert. 
  • Akteure der einzelnen Träger in den Frühen Hilfen reflektieren ihre Haltung zu Partizipation, entwickeln klare Strukturen für Beteiligung und legen institutionalisierte Rechte zu Mitsprache, Beschwerde und Entscheidung fest.
  • Zur Umsetzung von partizipativen Prozessen findet auf Organisationsebene eine Verständigung über nötige Ressourcen, über ausreichend Zeit und Raum sowie über den Umgang mit Unwägbarkeiten und Risiken statt.
  • (Weitere) Bedingungen zur Erweiterung von Beteiligung und Partizipation werden gemeinsam mit den relevanten Akteuren (insbesondere Entscheidungstragende in kommunalen Strukturen etc.) in den Frühen Hilfen identifiziert und verbindliche Absprachen zur Umsetzung (wie und an welchen Stellen) getroffen.

Dialog mit Akteuren der strategisch-politischen Ebene

Die folgenden Fragen geben Anregungen zur gezielten Diskussion der Inhalte der Qualitätsdimension Beteiligung und Partizipation mit Entscheidungstragenden der strategisch-politischen Ebene.

  • Wie kann Partizipation als gemeinsame und bereichsübergreifende Handlungsgrundlage im Netzwerk initiiert sowie nachhaltig etabliert werden?
  • Werden Ressourcen für die Entwicklung partizipativer Fachkonzepte und die Erweiterung entsprechender methodischer Kompetenzen der Fachkräfte bereitgestellt?
  • Wie wird sichergestellt, dass bestehende und neu geplante Angebote für Familien regelmäßig auf Partizipationsmöglichkeiten hin geprüft werden?
  • Welche Rolle spielen partizipative Prozesse in den eigenen institutionellen Strukturen sowie im Umgang mit Mitarbeitenden (Kommunikation, Motivation, Erprobungs- und Gestaltungsspielräume etc.)?
  • Wie wird eine konzeptionelle Absicherung (strukturelle Verankerung) von Beteiligungsstrukturen gewährleistet?
  • Werden regelmäßige Weiterbildungen (oder bspw. flexible Supervisionsbudgets) zum Thema angeboten?
  • Stehen ausreichend Ressourcen, Zeit und Räume für die Umsetzung partizipativer Prozesse zur Verfügung?
  • Wie regelmäßig wird das Thema Partizipation sowie die dazugehörigen Rahmenbedingungen und Prozesse in Austauschrunden und Treffen von Entscheidungstragenden thematisiert?
  • Wie kann ein regelmäßiger Austausch von Fachkräften zur Initiierung und Etablierung partizipativer Prozesse in den Frühen Hilfen befördert werden?
  • Gibt es ausreichend Möglichkeiten, innovative Vorgehensweisen zur Beteiligung und Partizipation sowohl bei der Entwicklung neuer Angebotsformate als auch in der Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk fehlerfreundlich zu erproben?
  • Wie und womit können solche Erprobungsmöglichkeiten geschaffen bzw. unterstützt werden?