direkt zum Hauptinhalt springen

Good-Practice-Modelle zur Mitwirkung und Beteiligung freiberuflicher Hebammen im Kontext Früher Hilfen

Ulrike von Haldenwang, Expertin für Frühe Hilfen und gesundheitliche Chancengleichheit im Deutschen Hebammenverband e. V. (DHV) und Vertreterin des DHV im Beirat der Bundesstiftung Frühe Hilfen und des NZFH, stellte zwei beispielhafte und erfolgreiche Beispiele aus der Praxis vor. Sie orientierte sich dazu an den Leitfragen: Wie gelingt die gute Einbindung der freiberuflichen Hebammen in die Frühen Hilfen? Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit?

Warum ist es wichtig, freiberufliche Hebammen in Netzwerke Frühe Hilfen zu integrieren?

Zu Beginn ihrer Ausführungen betonte Ulrike von Haldenwang, dass freiberufliche Hebammen aus ihrer Sicht "ganz selbstverständlich ein Angebot der Frühen Hilfen" seien und auch als ein solches berücksichtigt werden sollten.

Hebammen überwachten nicht nur den Wochenbettverlauf, sondern könnten auch bereits während der Schwangerschaft den Kontakt zu den Frauen und Familien nutzen, um auf relevante Themen wie das Stillen vorzubereiten und für Angebote der Frühen Hilfen zu sensibilisieren. Um sie nachhaltig in Netzwerke einzubinden, seien gute Strukturen erforderlich.

Beispiel guter Praxis: Der Hebammenpool in Lübeck

Wie gelingen Einbindung und Zusammenarbeit?

Angesiedelt beim Team der Frühen Hilfen am Kinderschutz-Zentrum Lübeck, werde die Arbeit des Teams Frühe Hilfen am Kinderschutz-Zentrum durch weitere wohnortnahe Beratungsstellen Frühe Hilfen in Lübeck ergänzt.

Das interdisziplinäre Team im Kinderschutz-Zentrum bestehe aus drei Familienhebammen, einer Familien-Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und einer Diplom-Pädagogin. Seit 2007 gebe es den Hebammenpool, der von einer (angestellten) Familienhebamme koordiniert werde und die Angebote der Frühen Hilfen mit der Tätigkeit der freiberuflichen Hebammen verbinde.

Integriert seien im Hebammenpool freiberufliche Hebammen (derzeit rund 60) und Familienhebammen.

Der Hebammenpool sei Teil des Gesamtkonzeptes der Frühen Hilfen in Lübeck, was ihn laut Ulrike von Haldenwang so besonders mache. Dadurch sei auch der ständige und wertschätzende Austausch im Netzwerk sichergestellt.

Die Expertise der Fachkräfte aus dem Gesundheitssystem und ihre Erfahrungen aus der praktischen Arbeit könnten auch zur Weiterentwicklung des Netzwerkes betragen.

Darüber hinaus werde die Expertise der Familienhebammen, auch basierend auf dem Austausch mit den Hebammen, auf allen Entscheidungsebenen einbezogen – Quartier, Stadt und Bundesland.

Welche Vorteile bietet der Hebammenpool für Hebammen?

Der fest etablierte Hebammenpool biete in erster Linie die Möglichkeit, sich regelmäßig zu (anonymisierten) Falldarstellungen auszutauschen. Dadurch könne das eigene Handeln reflektiert werden, die Vernetzung zwischen den Fachkräften in der aufsuchenden (Hebammen)-Betreuung werde gefördert und Fragen hinsichtlich einer parallelen Betreuung durch Hebamme und Familienhebamme könnten direkt geklärt werden.

Die Teilnahme an Angeboten des Hebammenpools seien außerdem als Maßnahme zur Qualitätssicherung, das heißt als Fortbildung, anrechenbar.

Ein Verteiler, entwickelt aus dem Hebammenpool, erleichtere außerdem die Vermittlung freiberuflicher Hebammen, was den Organisationsaufwand jeder einzelnen Hebamme mindere.

Praxisbeispiel: Kooperation von freiberuflichen Hebammen und Frühen Hilfen in der Region Hannover

Wie gelingen Einbindung und Zusammenarbeit?

Ein im Vergleich zum Hebammenpool in Lübeck noch nicht so ausgereiftes Modell der Einbindung freiberuflicher Hebammen in Frühe Hilfen werde in der Region Hannover umgesetzt: Freiberufliche Hebammen seien dort fester Bestandteil in den Lenkungsgruppen Frühe Hilfen. Für die Mitwirkung an den viermal jährlich stattfindenden Treffen gebe es eine Aufwandsentschädigung.

Die hohe Relevanz der Berufsgruppe mit dem besonderen Fokus auf Schwangerschaft, Geburt und die frühe Phase der Familienbildung und das daraus resultierende Praxis-Wissen werde im Netzwerk als sehr gewinnbringend wahrgenommen.

Anfang 2019 sei außerdem eine Hebammenzentrale für die Region Hannover gegründet worden. Sie arbeite eng mit dem Koordinierungszentrum Frühe Hilfen – Frühe Chancen zusammen.

Fazit

Welche Wünsche bestehen aus Sicht des Deutschen Hebammenverbandes mit Blick auf die beiden Modelle guter Praxis?

Um freiberufliche Hebammen nachhaltig in Netzwerke Frühe Hilfen einzubeziehen, sei die aktive Förderung von erfolgreichen Praxismodellen durch kommunale Strukturen notwendig. Deutschlandweit gebe es viele Modelle, die größtenteils sehr vom Engagement einzelner Personen abhingen, zum Beispiel der Netzwerkkoordinierenden oder Familienhebammen. Wünschenswert wäre hier eine nachhaltige strukturelle Verankerung.

Ein wertschätzender Umgang mit dem Fachwissen der freiberuflichen Hebammen und die Möglichkeit, die systematische Zusammenarbeit aller Beteiligten mitzugestalten, führe zu einer guten Zusammenarbeit.

Voraussetzung für die - aus Sicht der freiberuflichen Hebammen - zusätzliche Arbeit für Frühe Hilfen sei eine angemessene Honorierung. Auch die Anrechnung von Fortbildungsstunden könnte ein Anreiz sein, sich dem Feld der Frühen Hilfen zu öffnen.

Abschließend fasste Ulrike von Haldenwang zusammen: "Gute Praxis braucht Zeit, sie braucht Ressourcen und sie braucht den Willen der Netzwerkkoordination."