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Glücksfall für Pankow

Marion Sperber ist seit 2019 Netzwerkkoordinatorin Berlin-Pankow und war Teilnehmerin der Arbeitsgruppe zur Qualitätsdimension 5 "Politisch-strukturelle Verankerung" im NZFH-Projekt Qualitätsdialoge Frühe Hilfen (QDFH). In einen Telefoninterview berichtet sie über Erfahrungen aus dem Qualitätsentwicklungsprozess und Entwicklung.

In die Arbeitsgruppe der Qualitätsdialoge der Frühen Hilfen zur politisch-strukturellen Verankerung aufgenommen zu werden, war für uns ein großes Glück. Wir wurden von Anfang an sehr gut begleitet und haben vieles auf den Weg gebracht. 

Für die Projektsteuerungsgruppe konnten wir die Leiterin des Jugendamts, die Jugendhilfeplanerin und die Gesundheitskoordinatorin der Frühen Hilfen gewinnen. In den Qualitätsentwicklungswerkstätten konnten wir mit den operativen Fachkräften der Frühen Hilfen an konkreten Themen zusammenarbeiten. Auf allen Ebenen sind wir so enger zusammengerückt. Das Thema Frühe Hilfen wurde dadurch noch viel präsenter im Bezirk. 

Dadurch wurde die Arbeit der Frühen Hilfen auch auf allen Ebenen der Verwaltung besser bekannt. Mit der Jugendhilfeplanung und der Jugendamtsdirektorin gibt es jeweils regelmäßige Routinen, um die Entwicklung der Bedarfe der Familien stetig zu prüfen und ressortübergreifende Absprachen vorzubereiten. Nach dem Modellprojekt QDFH passten wir unser Leitbild an leichtere Sprache an, um nicht mehr nur Fachkräfte, sondern auch Familien wohlwollend und positiv anzusprechen. 

Vor dem Ärztestammtisch sprach ich über die Bedeutung frühzeitiger Prävention und warb Kinderärztinnen und Kinderärzte gezielt zur wirksamen Zusammenarbeit. In unserem Stadtbezirk führen wir an jeweils vier Standorten vier Mal jährlich Interprofessionelle Qualitätszirkel durch. Außerdem werden die Frühen Hilfen regelmäßig im Kinder- und Jugendhilfeausschuss (KJHA) vorgestellt. Ein Mitglied aus diesem Ausschuss konnten wir sogar für unseren Beirat, dem Steuerungsgremium der Frühen Hilfen in Pankow, gewinnen. In diesem wird über Erreichtes, Angebotsentwicklung und Planungen im Bezirk gesprochen und über Finanzierungen der Angebote entschieden.

Auch bei großer Anerkennung der Wirkung unserer präventiven Angebote und des Engagements der Fachkräfte im Bezirk gelingt es uns nicht, im nächsten Jahr eine Finanzierung aller unserer nachweislich wirksamen Präventionsgebote dieses Jahres auch im Jahr 2023 sicherzustellen. Hier hoffen wir, wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommen, auf eine deutliche Dynamisierung der Bundesstiftungsmittel Frühe Hilfen in den nächsten Jahren.

Mit den Coronahilfen des letzten Haushalts entwickelte, wirksame Präventionsprojekte müssen nach 1,5 Jahren wieder eingestellt werden. Das Projekt "Migrant Family Counselling" zum Beispiel, ein sozialpädagogisches und familientherapeutisches Angebot für Familien mit traumatischen Fluchterfahrungen, ist nur bis September 2023 finanziell gesichert und wird, wie andere Angebote auch, die Arbeit einstellen müssen. Diese Entwicklung ist fatal! Denn die Traumatisierungen der geflüchteten Eltern aus Krieg oder Armut bleiben. 
Wir bekamen im Bezirk große Anerkennung für diese Arbeit und die Rückkoppelung, dass wir diese Angebote dringend brauchen. Dennoch kann die finanzielle Unterstützung nicht gesichert werden.       

Durch Unterstützung unserer Jugendamtsdirektorin und des Fachbereichsleiters der Familienförderung gelang es, drei Projekte der Frühen Hilfen zu verstetigen. Über das Familienfördergesetz kam ich mit der Politik und meiner Leitung gut ins Gespräch und so konnten, neben der Arbeit an den Familienzentren und das Angebot der aufsuchenden Elternhilfe, das Ehrenamtsprojekt sowie das Angebot "Start ins Leben" gesichert werden.

Aus dem, was wir in den drei Jahren QDFH lernen konnten, entstand ein Transferworkshop zur Übermittlung neuer Methoden zur Kooperation auf allen Ebenen in allen zwölf Berliner Stadtbezirken. Durch Corona wurde diese Veranstaltung digital umgesetzt. Es wurde dennoch sehr aktiv gearbeitet, ausgetauscht und Ideen für den jeweils eigenen Stadtbezirk entwickelt. Dieser Workshop richtete sich ressortübergreifend an die Koordinierenden aus den Gesundheitsämtern, die Jugendhilfeplanerinnen und -planer, die Zentren für Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination des öffentlichen Gesundheitsdienstes (QPK) und die Netzwerkkoordinierenden unserer Berliner Bezirke. Das NZFH, unsere Landeskoordinatorin der Frühen Hilfen und die Aurides Stiftung sowie Gesundheit Berlin-Brandenburg waren ebenfalls an unserer Seite. Sie alle brachten sich sehr aktiv ein.

Im Rahmen unserer Qualitätsentwicklung haben wir eine Arbeitsgruppe "Bedarf" entwickelt und uns anhand von Studien wie der Studie KiD 0-3 des NZFH damit beschäftigt, welche Effekte frühe Prävention auch in unserem Bezirk erzielen.

Für Pankow ist geplant, Experteninterviews umzusetzen. Hierbei können wir von unserer guten Vernetzung profitieren und engagieren uns zugleich in Fachgremien zu Themen wie Gewalt gegen Frauen, Alleinerziehende, Netzwerk der Familienzentren und bei der Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten. Letztlich geht es hier um eine mögliche Nachvollziehbarkeit von Wirkungen Früher Hilfen. Über die Experteninterviews stärken wir zudem auch wieder den Bekanntheitsgrad und die Zusammenarbeit im Netzwerk.

Unsere Plakataktion "Ene, mene Muh", in Anlehnung an die Kampagne "Heute schon mit Ihrem Kind gesprochen?", ist ein weiterer Weg, um Familien, aber auch Fachleute zu erreichen. Um noch niedrigschwelliger Familien zum problematischen Medienkonsum zu erreichen, haben wir Plakate mit einfachen Kinderreimen entworfen, um eine unmittelbare Interaktion zwischen Eltern und Kind zu erreichen. Die Plakate hängen in den Wartebereichen von Arztpraxen und Gesundheitsämtern. Es geht um Qualitätszeit mit dem Kind während dieser Wartezeiten. Wer das Handy dennoch nicht stecken lassen kann, erhält über den QR-Code Informationen zu den Fragen "Wussten Sie, was die Handynutzung mit der emotionalen Entwicklung (1.), mit der Hirnentwicklung Ihres Kindes (2.) und (3.) mit der Bindung zwischen Ihrem Kind und Ihnen macht?", dazu erschienen drei verschiedene Artikel auf der Internetseite der Frühen Hilfen in Pankow.

Im Übrigen ist Pankow der zweitgrößte Flächenbezirk von Berlin und hat mit 413.000 Personen die meisten Einwohner. Um Wegezeiten zu sparen, damit die Mittel, die wir haben, wirklich nur den Familien zur Verfügung stehen, arbeiten unsere Angebotsträger Hand in Hand und decken jeweils Stadtteile durch entsprechende Standorte der Träger ab. 

Stolz sind wir auf eine richtig gute Zusammenarbeit verschiedener Träger und Fachabteilungen hier im Bezirk. Beim letzten Fachtag waren auch beide Stadträte (für Gesundheit und Jugend) aktiv beteiligt und trugen Ergebnisse unserer Veranstaltung in ihre politischen Gremien.

Unsere Angebote sind grundsätzlich am Bedarf unserer Familien ausgerichtet. Dabei beziehen wir die Familien vor, während und nach unserer Unterstützung immer sehr konkret mit ein. Außerdem erfassen wir unsere Angebote in eigens entwickelten Bedarfserfassungstabellen, um unsere Arbeit nachvollziehbar darstellen und dokumentieren zu können.

Unser Fazit ist, dass die Arbeit der Frühen Hilfen transparent sein muss, um Unterstützung zu erhalten und eine Weiterentwicklung auf allen Ebenen zu ermöglichen. Dabei bleibt weiterhin immer das Ziel, die ressortübergreifende Arbeit auszubauen. So bleiben wir dabei, dass im Beirat der Frühen Hilfen Pankow, unserem Steuerungsgremium, wirklich alle Ebenen vertreten sind, also Jugendamtsdirektorin und Amtsarzt, die Leitung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses, Haushalt, Jugendhilfeplanung, Familienförderung, Trägervertreter, Kinderschutzkoordination sowie das Bündnis für Familien.

Abschließend bedanken wir uns für die Möglichkeit der Teilnahme am Qualitätsdialogprojekt des NZFH und die Unterstützung auch weit über diesen Rahmen hinaus.