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Workshop 4 - Gefährdungseinschätzungsprozesse im Jugendamt – ausgewählte Analysen der amtlichen „8a-Statistik“

Gudula Kaufhold, NZFH

Im Rahmen des Workshops präsentierte Gudula Kaufhold vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgewählte Ergebnisse aus Analysen der 2012 erstmalig durchgeführten amtlichen Statistik zu den Gefährdungseinschätzungen nach § 8a SGB VIII. Die Durchführung der Analysen ist Teil der Kooperation des NZFH mit der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund.

Die Auswertungsschwerpunkte liegen zum einen bei der Analyse von Verfahren, die sich auf Kinder zwischen 0 und 3 Jahren beziehen, zum anderen bei Verfahren, die von Akteuren des Gesundheitswesens initiiert wurden. Damit soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung das Gesundheitswesen und die Frühen Hilfen für den institutionellen Kinderschutz haben. Bereits in der Auswertung des ersten Erhebungsjahres 2012 zeigte sich, dass das Gesundheitswesen als Initiator von Verfahren zu Gefährdungseinschätzungen bei Kindern unter drei Jahren eine besondere Rolle spielt. Fachkräfte aus Kliniken, aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst, in niedergelassenen Praxen und freiberuflich tätige Hebammen bzw. Familienhebammen melden bzw. initiieren am häufigsten Verfahren zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung bei Kindern unter drei Jahren. Die Einschätzungen einer akuten oder latenten Kindeswohlgefährdung werden zudem häufiger bestätigt als in anderen Meldergruppen bzw. in Verfahren bei älteren Kindern, d.h. die Einschätzungen der Akteurinnen und Akteure aus dem Gesundheitswesen sind besonders valide. Dies gilt in besonderem Maße für Kinder unter einem Jahr; hier wurden 45 Prozent der Einschätzungen bestätigt.

Entgegen den Erwartungen stellte Vernachlässigung auch bei den Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens die am häufigsten genannte Form der Gefährdung dar, und nicht die einfacher diagnostizierbaren Formen physischer Gewalt. Das Gesundheitswesen leistet also bei Kindern unter drei Jahren einen substanziellen Beitrag zum institutionellen Kinderschutz. Die Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Gesundheitswesen soll deshalb in den nächsten Jahren weiter beobachtet und noch differenzierter untersucht werden.

Insgesamt betreffen Verfahren zur Gefährdungseinschätzung im Jugendamt weniger als 1 Prozent der unter 18-Jährigen, wobei Vernachlässigungssituationen die am häufigsten dokumentierte Gefährdungsform darstellen. Nicht jedes Verfahren bestätigt jedoch gleichzeitig den Gefährdungsverdacht. Nur in einem Drittel der Fälle wurde eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung durch das Jugendamt bestätigt, in einem weiteren Drittel wurde ein erzieherischer Hilfebedarf gesehen, ca. 32 Prozent der Fälle waren 2012 sog. „Falsch-Positiv-Fälle“.