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Workshop 1 - Die Kommunikation von Jugendämtern im Kontext von Krisen. Erste Befunde und Implikationen.

Christiane Firnges, NZFH/BZgA, Kathrin Schleicher und Alice Srugies, Technische Universität Ilmenau

Das NZFH nimmt sich mit der Förderung des Projekts zur Stärkung der Krisenkommunikation von Jugendämtern der Problematik der medialen Skandalisierung von Kinderschutzfällen an. Christiane Firnges, NZFH/BZgA, stellte den Hintergrund des Projekts vor. Kathrin Schleicher und Alice Srugies, Technische Universität Ilmenau, präsentierten in Vertretung für Projektleiter Dr. Andreas Schwarz erste Befunde der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme der Kommunikation von Jugendämtern in Krisen.

Hintergrund

Die mediale Skandalisierung von Kinderschutzfällen stellt für Jugendämter, betroffene Familien und Kommunen eine hohe Belastung dar und führt allgemein zu einem fortschreitenden Vertrauens- und Reputationsverlust der Jugendämter. Um Jugendämter in einer solchen Krise zu unterstützen, erarbeitet das NZFH zusammen mit der Technischen Universität Ilmenau Handlungsempfehlungen für den Ernstfall. Dem Projekt zur Stärkung der Krisenkommunikation von Jugendämtern und Kommunikationsverantwortlichen der Kommunen liegen folgende Annahmen zugrunde:

  • 1) Professionelle Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation tragen zur Entschärfung der Krise und zur Wiederherstellung des Vertrauens bei

  • 2) Ressourcen, Kompetenzen und Rahmenbedingungen für Öffentlichkeitsarbeit und effektive Krisenkommunikation von Jugendämtern sind ausbaufähig

  • 3) Die Kenntnis des Selbst- und Fremdbildes der Jugendämter ist eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation; der Forschungsstand hierzu ist nicht ausreichend.

Vor diesem Hintergrund führt die TU-Ilmenau eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme durch, um auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse eine Arbeitshilfe zur Stärkung der Krisenkommunikation von Jugendämtern zu entwickeln.

Wissenschaftliche Bestandsaufnahme

Die wissenschaftliche Bestandsaufnahme besteht aus zwei Teilen:

  • 1) Analyse der Krisenkommunikation von Jugendämtern durch die Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Leitungs- und operativen Ebene der Jugendämter und Kommunikationsverantwortlichen der Kommunen. Die Jugendämter wurden anhand der Merkmale urban / ländlich, geringe / hohe Krisenerfahrung in die Studie einbezogen.

  • 2) Analyse der Berichterstattung regionaler und überregionaler Medien im Zeitraum von 2009 bis 2013 bezüglich der öffentlichen Darstellung und Wahrnehmung der Jugendämter. Aus dem Vergleich der Befunde zur internen Wahrnehmung der Jugendämter (Teilstudie 1) und der Befunde zur externen Wahrnehmung der Jugendämter in den Medien (Teilstudie 2) sollen Erkenntnisse für die Entwicklung eines Instrumentes zur Stärkung der Krisenkommunikation der Jugendämter und Kommunikationsverantwortlichen der Kommunen abgeleitet werden.

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse beider Teilstudien sowie die anschließende Diskussion zusammengefasst:

Erste Befunde zur internen Wahrnehmung der Jugendämter

Die Ergebnisse der Interviews machen deutlich, dass einige Jugendämter bereits Erfahrungen in der Anwendung von Instrumenten der Krisenkommunikation besitzen und Erfahrungswissen im Umgang mit Krisensituationen erworben haben (z.B.: „Alle an einen Tisch bringen und eine gemeinsame Linie festlegen“). Die Befragten geben an, Krisenkommunikationspläne und Krisenstäbe mehrheitlich nicht zu nutzen. Das Mittel der Evaluation, im Sinne einer Reflexion der Situation während oder nach der Krise, wird teilweise genutzt.

Die Nutzung von Social Media als Instrument der Krisenkommunikation wird von den krisenunerfahrenen Jugendämtern befürwortet, während die krisenerfahrenen sie ablehnen. Generell wird die Nutzung von Instrumenten zur Krisenkommunikation nicht von allen Befragten befürwortet. Darüber hinaus werden strukturelle Probleme der Krisenkommunikation thematisiert, wie beispielsweise eine „ungesunde“ Organisationskultur oder Zeit- und Ressourcenmangel.

Einige der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen die Ursachen der Krisen innerhalb der Organisation, andere in den gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Verantwortung wird dementsprechend der Leitung des Jugendamtes oder der Gesellschaft und den Familien zugeschrieben. In den Fällen, in denen die Jugendamtsleitung Verantwortung für die Krise übernimmt, fühlen sich die Mitarbeitenden geschützt. Dagegen fühlen sie sich in den Fällen externer, öffentlicher Verantwortungszuschreibung nicht geschützt.

In der Gesamtschau der Fälle ergibt sich eine zu starke Fokussierung auf Jugendämter als Krisenverantwortliche und eine zu geringe Thematisierung gesellschaftlicher Ursachen.

Erste Befunde zur externen Wahrnehmung der Jugendämter

In der Berichterstattung ausgewählter regionaler und überregionaler Printmedien wird den Jugendämtern allgemein vor allem die Rolle der Helfer zugeschrieben. Im Krisenkontext wird ihr Bild deutlich negativer dargestellt, ihnen wird dann überwiegend die Rolle der Beschuldigten zugeschrieben. Als Krisenursache wird in der Medienberichterstattung am häufigsten das Handeln der Jugendämter und anderer Akteurinnen und Akteure, wie beispielsweise der Eltern, benannt, während gesellschaftliche Umstände selten thematisiert werden.

Jugendämter setzen kaum proaktiv eigene Themen in den Medien; auch in Krisensituationen sind sie selten die Quelle der Berichterstattung. Insgesamt nehmen die Jugendämter als Gegenstand in den Medien einen niedrigen bis mittleren Stellenwert ein. Im Kontext von Krisen stehen sie öfter im Fokus der Berichterstattung und nehmen dann einen mittleren bis hohen Stellenwert ein. Die am häufigsten genannten Themen in der Berichterstattung über Jugendämter sind ihre Aufgaben und Leistungen und bereits an zweiter Stelle Einzelfälle. In wesentlich geringerem Maße werden die Themen Klientinnen und Klienten, Arbeitsbedingungen, Kooperation, rechtliche Rahmenbedingungen und das Handeln der Jugendämter in den Medien thematisiert.

Diskussion

Die Diskussion drehte sich um die zentrale Frage, wie angesichts begrenzter Ressourcen eine proaktive Kommunikation der Jugendämter gelingen kann. Es wurde diskutiert, wie offensiv kommuniziert werden sollte und inwieweit beispielsweise das Herausgeben einer Pressemitteilung zusätzliche negative Berichterstattung erzeugen könnte. Um im Krisenfall einen vertrauensvolleren Umgang mit der Presse zu ermöglichen, wurde angeregt, dass sich Jugendämter bei der lokalen Presse verstärkt als Gesprächspartner mit Expertenwissen anbieten könnten. Ein weiterer Diskussionspunkt war die mangelnde Vernetzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter mit anderen Stellen, die einen Austausch zum Thema Öffentlichkeitsarbeit und Krisenkommunikation erschwert. In diesem Kontext wurde angeregt, auch die Position und Rolle des Jugendamtes innerhalb der kommunalen Behördenstrukturen zu untersuchen. Weiterhin wurde vorgeschlagen, die Krisenkommunikation vergleichbarer Behörden (Polizei oder Finanzamt) zu untersuchen, um übertragbare Erkenntnisse daraus zu gewinnen.