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Was eine Kommune attraktiv macht

Im Gespräch berichtet Simone Flohr über die erfolgreiche kommunalpolitische Einbindung der Frühen Hilfen im Landkreis Hildesheim und gibt Tipps, wie dies auch in anderen Kommunen gelingen kann. 

Frau Flohr, wie sind die Frühen Hilfen im Landkreis Hildesheim kommunalpolitisch eingebunden?

Die Frühen Hilfen wurden vor zehn Jahren durch den zuständigen Sozialdezernenten so positioniert, dass der Netzwerkkoordinator direkt dem Dezernenten untersteht. Es ist keine zusätzliche Ebene eingezogen. Dieser direkte Kontakt ins Dezernat war von Anfang an so gewünscht. Auch bei den Jugendhilfeausschusssitzungen sitzt der Netzwerkkoordinator Stefan Hollemann immer mit am Tisch und bringt seine Themen in Form von Tagesordnungspunkten regelmäßig ein. Das erfolgt nach Rücksprache mit dem Dezernenten und mit mir als Ausschussvorsitzende. Somit erreicht er alle Kreistagsabgeordneten, die im Jugendhilfeausschuss sitzen. Diese sind meistens auch Mitglied in Kommunalparlamenten, also im Gemeinderat oder im Stadtrat. 

Der Netzwerkkoordinator kann von den Kommunen angefragt werden und stellt dann zum Beispiel in einer Ausschusssitzung das Netzwerk Frühe Hilfen vor. Ein wichtiges niederschwelliges Projekt ist hierbei das "Café Kinderwagen". Dort trifft man Hebammen oder andere pädagogische Fachkräfte an, die einmal in der Woche eine Art professionell begleitete Krabbelgruppe mit Beratung in einem festen Raum anbieten. 

Seit der letzten Wahlperiode gibt es den Runden Tisch Kinderarmut im Landkreis Hildesheim. Der Netzwerkkoordinator hat dankenswerterweise die Geschäftsführung übernommen und ist somit im regelmäßigen Austausch mit Wohlfahrtsverbänden, Politik und Verwaltung. Im Kreis sind die Frühen Hilfen also gut verankert. In der Fläche besteht noch Potenzial, dies war auch ein Ergebnis des NZFH-Workshops im November. 

Wie kann man die Themen der Frühen Hilfen erfolgreich in den Kommunalparlamenten platzieren?

Alle Netzwerk-Akteure sollten wissen, wie kommunalpolitische Strukturen funktionieren. Wen kann ich ansprechen, wenn ich ein Projekt vorstellen möchte? Wer hat den Ausschussvorsitz inne? Welche ehrenamtlichen Politikerinnen und Politiker befassen sich mit welchen Schwerpunkten? Man muss zudem wissen, dass nach einer Wahl viel Wissen verloren geht, weil neue Personen in die Gemeinde- und Stadträte gewählt werden. Dann kann es sehr sinnvoll sein, wieder einmal eine Vorstellungsrunde zu den verschiedenen Projekten des Netzwerks zu gestalten.

Bei diesen Vorstellungsrunden in dem passenden Fachausschuss ist es wichtig, dass man allen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern den Mehrwert für die eigene Kommune oder Stadt vermittelt: Was bringt es den Bürgerinnen und Bürgern hier vor Ort? Wie kann ich vermitteln, dass Prävention sehr früh ansetzen muss und wichtig ist, aber auch, dass man die Erfolge von Prävention nicht immer genau messen kann? Diese Debatten führen wir häufig, wenn es um Präventionsprogramme geht. In sehr vielen Landkreisen erhöhen sich jetzt die Hilfen zur Erziehung, hierfür müssen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Oft kommt dann die Frage nach der Effektivität der Maßnahmen auf. Hier müssen Frühe Hilfen den Wert der Prävention vermitteln, der sich nicht immer leicht, direkt und kurzfristig darstellen lässt. Zudem ist es sehr wichtig die Finanzierung der Projekte transparent darzustellen.

Mit welchen Botschaften oder Narrativen kann man politische Entscheiderinnen und Entscheider gewinnen?

Was macht eine Kommune attraktiv, würde ich fragen. Familienfreundlichkeit und Kinderfreundlichkeit sind das, womit eine Stadt oder Gemeinde sich präsentieren kann, gerade auch, um Neubürgerinnen und Neubürger anzulocken. Kann ich hier vor Ort Familie und Beruf gut vereinbaren? Das eine sind die Betreuungsangebote mit Krippe, Kindergarten, Hort oder Ganztagsschule etc. Zu einer familienfreundlichen Kommune gehören aber auch Maßnahmen und Hilfestellungen, die schon ganz früh ansetzen, wenn sich eine Familie gründet. Diese frühen präventiven und familienfreundlichen Maßnahmen machen die Angebote erst rund. Gerade im ländlichen Bereich muss es auch diese Angebote geben, insbesondere, wenn Dienstleistungen in den letzten Jahren weggefallen sind. Die Landkreisverwaltung ist weit weg, wenn man nicht mobil und auf den ÖPNV angewiesen ist. Ein niedrigschwelliges Angebot wäre hier das "Café Kinderwagen".

Das Narrativ muss immer aussagen, was es den Menschen vor Ort bringt. Man muss fragen, wie man es in größere Erzählungen einbinden kann und was in der Gemeinde entwickelt werden soll: Die familienfreundliche Kommune, Bildungschancen vergrößern – da ist die Unterstützung in früher Kindheit ganz wichtig, um hier für gerechte Startbedingungen und Zugänge zu sorgen.