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Diagnostik und Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfe

Voraussetzung für eine qualifizierte Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfe sowie eine auf die individuellen Bedarfe ausgerichtete Hilfeplanung ist eine gute Diagnostik oder gutes Fallverstehen. Hierfür braucht es in den Jugendämtern sowie bei den freien Trägern, zum Beispiel im Fall eines Clearingauftrages, gut qualifizierte Fachkräfte, die mit ausreichend Zeit und geeigneten räumlichen Ressourcen ausgestattet sind.

Entscheidung über die geeignete Hilfe in einem partizipativen Prozess

Die Diagnostik und Hilfeplanung ist bereits Teil der Beratung und kann den ersten Schritt zur Veränderung in der Familie darstellen. Die Entscheidung über geeignete Hilfen findet gemeinsam mit den Eltern, Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer aktivierenden, partizipativen Hilfeplanung statt. Zugleich wird immer wieder beobachtet, dass Fachkräfte sehr früh Hilfen im Visier haben (aufgrund von Bewilligungsroutinen oder Verfügbarkeitslogik), die sie für die Familie geeignet halten, oder die sozialpädagogische Diagnostik delegiert wird, sodass eine schnelle "Anbindung" der Familie an die Anbieter von Clearing und Hilfe hohe Priorität hat. Beides kann auf Kosten einer angemessenen Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugendlichen gehen.

Stärkung der Diagnostik

Ziele, wie sie derzeit in Hilfeplangesprächen und Hilfeplänen entwickelt werden, wirken häufig "künstlich". Vorgaben, wie etwa die Ziele "SMART" (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) zu formulieren, haben nicht den gewünschten Qualifizierungseffekt gebracht, sondern vermitteln häufig die Illusion, Hilfen auf diese Art und Weise steuern zu können.

Das Ziel sollte daher sein, die Diagnostik zu stärken, sodass die zentralen Ziele zum Schutz des Kindes (im Sinne: "Was muss sich verändern, damit das Kind keinen weiteren Schaden mehr nimmt?) besser und klarer herausgearbeitet werden können.

Veränderungsziele müssen gemeinsam mit den Eltern erarbeitet werden. Hierfür ist es notwendig, dass die Eltern nachvollziehen können, weshalb eine Veränderung notwendig ist. Im Kinderschutz ist dies eine Herausforderung und gelingt nicht immer. Insofern kann es sein, dass es Ziele gibt, die nicht konsensual mit den Eltern erarbeitet werden konnten und denen die Fachkräfte dennoch verpflichtet sind. Denn der Auftrag im Kinderschutz ist vor allem, weiteren Schaden von dem Kind abzuwenden.

Bereitstellung zeitlicher Ressourcen und Qualifikation der Fachkräfte

Eine gute Diagnostik und Hilfeplanung braucht Zeit. Hierzu müssen in Jugendämtern ausreichend Kapazitäten bereitgestellt werden. Dies kann auch erfolgen, indem die aktuelle Prioritätensetzung kritisch reflektiert wird: wieviel Zeit wird für (ineffektive) Sitzungen und wieviel für die Arbeit mit den Familien aufgewandt?

Qualifizierungsbedarf sowohl beim öffentlichen als auch beim freien Träger wird in folgenden Themen gesehen:

  • Diagnostik und Fallverstehen in Gefährdungsfällen als Grundlage für die Entwicklung von Veränderungszielen mit der Familie sowie der Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfe / Maßnahme
  • Entwicklung und Vereinbarung von Veränderungszielen im Kinderschutz
  • Arbeit an Veränderung mit unfreiwilligen Klientinnen und Klienten
  • Diagnostik und Hilfeplanung in Fällen von Vernachlässigung
  • Wissen über Eignung und Wirksamkeit von Hilfen in Gefährdungsfällen

Darüber hinaus sollte den Fachkräften niedrigschwellig und flächendeckend Fachberatung für die oben genannten Themen zur Verfügung stehen.