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Resilienz – was die Seele stark macht

Impulsvortrag von Dr. Christina Berndt, Wissenschaftsjournalistin

Das Leben ‒ Eine Herausforderung

Christina Berndt begann ihren Vortrag mit der Feststellung, dass jeder Mensch Krisen und Herausforderungen erlebe – am Arbeitsplatz wie im Privaten. Auch "Helfende" hätten Krisen, zum Beispiel durch die stetig steigenden Anforderungen in der Praxis oder durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die eine zusätzliche Belastung für unsere Psyche darstelle. Doch Menschen unterschieden sich erheblich darin, wie sie mit all diesen Schwierigkeiten umgehen.

"Weshalb bekommt nicht jeder, der Stress hat, ein Burn-out?" und "Wie kann es sein, dass manche Menschen ein Martyrium überstehen, während andere schon nach kleinen Schicksalsschlägen den Lebensmut verlieren?" brachte die Vortragende die grundlegenden Fragen auf den Punkt.

"Die Antwort liegt in unserer Resilienz, also der Kraft der Seele, herausfordernde Situationen zu überstehen". Dabei gehe es nicht um Invulnerabilität, wie die Vortragende betonte, denn kein Mensch sei unverwundbar. Resilienz bedeute nicht, dass man immer gut drauf sei, vielmehr sei sie ein Konzept mit dem Ziel, aus Schwierigkeiten gesund herauszukommen. Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür sei die Studie der Psychologin Emily Werner, auf die sie im Folgenden näher einging.

Beeindruckende Stärke ‒ Die Kinder von Kauai

Hierbei handelt es sich um eine Studie, in der 698 Kinder des Jahrgangs 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauai über 40 Jahre beobachtet wurden. Etwa ein Drittel von ihnen wuchs in besonders schwierigen Verhältnissen auf, galt als "hochgradig gefährdet". Von diesem Drittel brachen zwei Drittel die Schule ab, wurden kriminell, nahmen Drogen, tranken zu viel Alkohol, oder zeigten Verhaltensstörungen sowie psychische Probleme. Ein Drittel aber meisterte sein Leben trotz der widrigen Umstände in seiner Kindheit. Es stellte sich also die Frage: "Was ist das Besondere an diesen Kindern, was macht diese Kinder so stark?"

Christina Berndt erklärte hierzu, dass dies die Starken oft selbst nicht sagen könnten, aber es ließen sich doch eine Reihe von Eigenschaften nennen, die Resilienz förderten und die in unzähligen Studien gefunden worden seien.

Hilfreiche Fähigkeiten:

  • Die Fähigkeit, verlässliche soziale Bindungen in der Kindheit aufzubauen: Die Bindungspartner müssten dabei nicht unbedingt die eigenen Eltern sein. Es könnten auch andere Personen wie Verwandte, Freunde oder Lehrer sein.
  • Selbstbewusstsein, Selbstkenntnis und Reflexion: Die Fähigkeit, Ansprüche einsortieren zu können und nicht immer perfekt sein zu müssen. Leitspruch: „Wer resilient ist, kennt sich selbst oft besonders gut.“
  • Frustresistenz: Die Fähigkeit, negative Erlebnisse wegzustecken.
  • Humor: Das Beispiel einer vollen Einkaufstüte, die kurz vor dem Einladen ins Auto platzt, und deren Inhalt sich auf dem Parkplatz verteilt, zeige, wie wichtig Humor für die Resilienz sei: Denn es gebe einerseits die Möglichkeit, sich fürchterlich aufzuregen, oder andererseits einfach zu lachen und alles wieder einzuräumen.
  • Außenperspektive einnehmen:  Die Situation von außen zu betrachten, da das Problem dadurch kleiner werde, zum Beispiel durch die Frage "Wie sehe ich den Vorfall in 5 Tagen, 5 Wochen …?"
  • Gelassenheit: Das Lernen aus unerfreulichen oder belastenden Situationen bedeute, beim nächsten Mal seine Emotionen (besser) beherrschen zu können.


Christina Berndt gab im Anschluss an diese Auflistung zu bedenken, dass man nicht gleich über alle Schutzfaktoren verfügen müsse, damit man Krisen erfolgreich bewältigen kann! Oft reichten schon wenige der starken Eigenschaften aus, um gut durchs Leben zu kommen. Sie gab den Teilnehmenden den Rat, an die eigenen Stärken zu denken und diese zu nutzen! Das bedeute nicht, Kritik einfach abperlen zu lassen, aber auch nicht, immer defizitär zu denken.

Weiter führte sie aus, dass Resilienz dazu beitragen könne, dass der Umgang mit Stress oder auch einer schweren Krankheit besser gelinge: "Wer selbstbewusst ist und viele Freunde hat, der übersteht auch Operationen besser." Resilienz könne zu einer ausgeglicheneren Persönlichkeit und damit zu einer besseren Gesundheit führen, da man sich seiner persönlichen Ressourcen bewusst sei, und diese in Krisensituationen nutzen könne. "In einer Krise auch Positives zu sehen, ist ein großes Geschenk", war die immanente Botschaft.

Generell solle man mehr auf die positiven Dinge achten, die einem passieren, und diese Strategie nutzen. Im Gegensatz dazu verwies sie auf das im Berufsalltag so typische „Gerede“ über Kolleginnen und Kollegen, das negative Gedanken nur weiter verstärke. Am Schluss stand somit die Empfehlung „Nicht lästern!“ und markierte damit den Übergang zu den Handlungsempfehlungen.

Resilienz als erlernbare Strategie

In diesem Abschnitt ihres Vortrages widmete sich Christina Berndt der Frage "Wie kann ich Resilienz lernen?".

Dazu führte sie aus, dass Frühe Kindheit und mitgebrachte Gene die Grundlage der eigenen Resilienz bilden würden, aber Kindheit sei nicht alles. Mit Verweis auf die moderne Persönlichkeitspsychologie und die Epigenetik stellte sie fest: "Unser Wesen ist nicht in Stein gemeißelt. Auch Gene sind nicht allmächtig und sie verändern sich im Laufe des Lebens." In diesem Zusammenhang betonte sie die Bedeutung von Freundschaften vor allem nach dem 30. Geburtstag, da sie Fähigkeiten wie "Zuhören können" und "gemeinsam Entscheidungen treffen" fördern würden und man so mit immer neuen Situationen konfrontiert würde.

Sie erläuterte weiterhin, dass Resilienz nicht einfach ein Charakterzug sei, sondern eine erfolgreiche Strategie, mit Krisen umzugehen, und diese lasse sich aktiv stärken "Man kann lernen, den Blick freudig nach vorn zu lenken statt in Trauer zurück." Dabei sei Resilienz keine immerwährende und auch keine in jeder Situation abrufbare Fähigkeit. Jemand, der nach dem Verlust seines Partners neuen Lebensmut findet, müsse nicht unbedingt in der Lage sein, Gewalt oder Krankheit gut zu verarbeiten.

Die gute Nachricht sei aber: "Resilienz wird mit dem Alter stärker" und "Ohne Krise keine Resilienz".

Herausforderungen annehmen!

Abschließend gab die Vortragende eine Reihe von Empfehlungen, wie man seine eigene Widerstandsfähigkeit stärken kann. Hierzu gehöre die Einsicht, dass Resilienz in einem Menschen nur wachse, wenn er die Erfahrung mache, dass er Krisen bewältigen oder schwierige Aufgaben meistern kann. Eben weil Resilienz kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine Strategie sei, solle man den Umgang mit Schwierigkeiten immer wieder erproben und an neue Situationen anpassen. So könne man zum Beispiel vor großen Herausforderungen im Beruf eine Prioritätenliste anfertigen, damit man die Zügel in der Hand behalte. Man solle sich bewusst machen, dass Stress gegen Stress impfe; also moderate Mengen die Resilienz förderten, weil man Erfahrungen für den Ernstfall sammele.

Das Fazit lautete: "Nicht wegducken!" und "Man soll sich – und auch seine Kinder – nicht in Watte packen." Zudem solle man Positivismus trainieren und dem Neuen eine Chance geben. Dazu gab sie abschließend den Tipp, immer eine kleine Menge Steinchen oder Bohnen in einer Jackentasche zu haben, die man bei einem positiven Erlebnis in die andere Jackentasche wandern lässt. Abends könne man sich so noch mal an die positiven Erlebnisse am Tag erinnern und üben, positive Erlebnisse (wieder) wahrzunehmen.

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