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Frühe Hilfen für Familien in Armutslagen

Laut Bericht des Bundestages gilt Kinderarmut in Deutschland seit Jahrzehnten als gravierendes Problem. Mehr als zwei Millionen Kinder wachsen in prekären Verhältnissen auf und haben daher geringere Startchancen. Hier besteht dringender gesellschaftlicher Handlungsbedarf.

Nach den vorliegenden Daten der Armutsberichterstattung ist der Anteil der von Einkommensarmut betroffenen Personen von 1997 bis 2013 sogar von 10,8 auf 15,5 Prozent gestiegen. Das größte Risiko, unter die Armutsgrenze zu rutschen, tragen Alleinerziehende, Haushalte mit Migrationshintergrund und mit Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch Haushalte mit mehr als drei Kindern. Für mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder ist Armut darüber hinaus ein Dauerzustand, der mehr als drei Jahre anhält (Sachstand Kinderarmut in Deutschland, Deutscher Bundestag 2017).

Armut beschränkt gesellschaftliche Teilhabechancen, verunsichert und mindert das Selbstwertgefühl – nicht selten mit negativen Auswirkungen auf die Belastbarkeit und Handlungsfähigkeit von Familien. Da von sind Kinder und Jugendliche in besonderer Weise betroffen. Kommen weitere Belastungsfaktoren hinzu, etwa die psychische Erkrankung eines Elternteils, Isolation oder frühe Elternschaft, steigt die Wahrscheinlichkeit für ein Kind, nicht ausreichend gefördert oder versorgt zu werden, deutlich an. Armut kann die ohnehin schon angespannte familiäre Situation derart belasten, dass sich dies negativ auf die Eltern- Kind-Bindung und die Versorgung der Kinder auswirkt.

Familien in Armutslagen sind deutlich häufiger als andere von mehreren psychosozialen Belastungen gleichzeitig betroffen (KiD 0-3, Repräsentativbefragung 2015).

Bei Schulbeginn ist es schon fünf nach zwölf

Auswertungen von Schuleingangsuntersuchungen bestätigen die Bedeutung der frühzeitigen Unterstützung der Familie: Kinder, deren Eltern von staatlicher Grundsicherung leben, zeigen mehr als doppelt so häufig Defizite in der Entwicklung wie Kinder, die in finanziell gesicherten Verhältnissen aufwachsen (www. bertelsmann-stiftung.de).

Ergebnisse der repräsentativen KiGGS Studie zur Kindergesundheit (März 2018) ergänzen diese Befunde: Kinder und Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischen Status (SES) sind beispielsweise deutlich häufiger von Übergewicht und Adipositas betroffen als Gleichaltrige mit hohem SES (www.kiggs-studie.de).

Frühe Hilfen stärken insbesondere belastete Eltern in der Wahrnehmung ihrer Versorgungs- und Erziehungsverantwortung. Ziel ist es, Entwicklungsbenachteiligungen im frühkindlichen Alter zu vermeiden und zu vermindern.

Angebote Früher Hilfen armutssensibel gestalten

Forschungsergebnisse zeigen aber auch, dass gerade besonders stark belastete Familien die vorhandenen Unterstützungsangebote häufig nicht nutzen. Daher ist es notwendig, die Ursachen und Gründe dafür herauszufinden und bessere Zugangsmöglichkeiten zu schaffen. Sind die Angebote vielleicht nicht passgenau? Fehlt es den Familien an Kenntnis oder am notwendigen Vertrauen, um sie anzunehmen? Ist es möglicherweise Scham über die finanzielle Notlage und der Wunsch, damit nicht aufzufallen?

Aufgabe der Frühen Hilfen ist es, die Angebote so zu gestalten, dass sie Familien in prekären Lagen tatsächlich erreichen und von ihnen in Anspruch genommen werden. Erkenntnisse der Praxis und Wissenschaft aus dem Feld der Frühen Hilfen und der Armutsforschung gilt es zu analysieren, um gelingende Zugänge zu identifizieren, die Angebote bestmöglich anzupassen und so die Akzeptanz bei Familien zu erhöhen. Die wissenschaftliche Begleitung der Bundesinitiative Frühe Hilfe verdeutlicht, dass Familien in Armutslagen bei Geburtsvorbereitungskursen und Eltern-Kind-Gruppen eher fern bleiben, während sie die aufsuchenden Angebote im Rahmen der Frühen Hilfen durch Gesundheitsfachkräfte oder ehrenamtliche Patinnen und Paten, aber auch durch die Schwangerschaftsberatung, überproportional in Anspruch nehmen. Hier gilt es anzuknüpfen und auszubauen.

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