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Herausforderungen und Strategien der Nachwuchssicherung im Jugendamt

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen der Diskussionen in Kleingruppen sowie im Gesamtplenum im Überblick

Gewinnung erfahrener Fachkräfte

Aktuell liegt der Fokus der Jugendämter eher auf der Gewinnung von Berufsanfängerinnen und -anfängern. Die Folge ist, dass vielfach sehr junge Fachkräfte, die über keine oder kaum Erfahrung in der Arbeit mit Familie verfügen, schnell in ein sehr anspruchsvolles Arbeitsfeld eingearbeitet werden müssen. Darüber hinaus führt das junge Alter der Fachkräfte bei vielen Eltern zu Irritationen, die den ohnehin schwierigen Kontaktaufbau zusätzlich erschweren. Insofern sollten auch Strategien entwickelt werden, um erfahrene Fachkräfte für den ASD zu rekrutieren.

Attraktivität der Tätigkeit erhöhen

Das Berufsbild der Kinderschutzfachkraft und die Tätigkeit im Jugendamt (im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD)) erscheint aktuell wenig attraktiv. Gründe dafür sind eine geringe gesellschaftliche Anerkennung dieser Arbeit bei gleichzeitig schlechter Vergütung, sowie das eher schlechte Image des Jugendamtes bei gleichzeitig hoher individueller Verantwortung. Um das Berufsfeld des ASD bekannter zu machen, aufzuwerten und sowohl für Berufsanfängerinnen und -anfänger als auch für erfahrene Fachkräfte attraktiver zu machen, kann eine differenzierte und qualifizierte Darstellung der anspruchsvollen Tätigkeit im Kinderschutz und die (Fortsetzung der) Verbesserung des Images von Jugendämtern (z. B. auch durch Aktionswochen) helfen.

Attraktivität der Stellen und des Arbeitsplatzes

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels können Absolventinnen und Absolventen des Studiums der Sozialen Arbeit häufig zwischen verschiedenen Stellenangeboten auswählen. Die Folge ist, dass Jugendämter nicht nur mit anderen Arbeitsbereichen konkurrieren, sondern sich auch gegenseitig Fachkräfte abwerben. Deshalb wird es immer wichtiger, die Stellenprofile an die Interessen der Bewerberinnen und Bewerber anzupassen.

  • Verzicht auf Befristung und Entwicklung flexibler Arbeitszeitmodelle: Befristete Stellen sind zum einen v. a. für erfahrene Fachkräfte wenig lukrativ, zum anderen erhöhen sie die Personalfluktuation, wenn die Fachkräfte auf unbefristete Stellen wechseln, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Auch können flexible Arbeitszeitmodelle einen Beitrag dazu leisten, Stellen für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber attraktiv zu machen.
  • Beschleunigung der Stellenbesetzungen: Über längere Zeit unbesetzte Stellen und langwierige Stellenbesetzungsverfahren führen zu erhöhter Arbeitsbelastung der übrigen Fachkräfte. Unter diesen Umständen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die noch verbleibenden Fachkräfte die Stelle wechseln, um eine chronische Überlastungssituation zu beenden. Eine gute Zusammenarbeit und enge Absprachen zwischen Jugendamt und Personalamt kann helfen, dies zu verhindern und unnötige Verzögerungen bei der Besetzung der Stellen zu vermeiden.
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen: Neben Stellenprofilen und Besetzungsverfahren messen Fachkräfte die Attraktivität von Arbeitsplätzen auch an den räumlichen Gegebenheiten und den bereitgestellten finanziellen und personellen Ressourcen. Je schlechter diese Bedingungen sind, umso eingeschränkter erleben die Fachkräfte ihre fachlichen Möglichkeiten und die Erfolgsaussichten ihrer Arbeit mit den Familien. Die Folge kann sein, dass sie auf der Suche nach mehr Zufriedenheit und Freude an der Arbeit den Arbeitgeber wechseln.
  • Verbesserung der Vergütung und Entwicklungsmöglichkeiten: Schließlich machen auch die Vergütung und die beruflichen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten den Reiz eines Arbeitsplatzes aus. Beides erscheint vor dem Hintergrund der Tarifbindung des Gehalts und des begrenzten Rahmens für Fort- und Weiterbildung zunächst nur schwer zu verändern. Da sich die personelle Situation in den Jugendämtern jedoch zunehmend zuspitzt, sollten auch scheinbar unveränderbare Faktoren zur Diskussion gestellt werden.

Personalfluktuation reduzieren

Neben der Gewinnung neuer Fachkräfte sind zudem Strategien erforderlich, wie eingearbeitete Fachkräfte gehalten und die vielfach zu beobachtende Personalfluktuation gestoppt werden kann. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil es einen hohen Anteil an erfahrenen Fachkräften braucht, um neue Fachkräfte qualifiziert einzuarbeiten. Die finanziellen, räumlichen und sachlichen Ressourcen haben großen Einfluss auf die Zufriedenheit der Fachkräfte. Ebenso können Fachkräfte durch eine Begrenzung der Fallzahlen, ein gutes Arbeitsklima sowie Zeit für den fachlichen Diskurs und eine konstruktive Fehlerkultur an die Arbeitsstellen gebunden werden. All diese Faktoren wirken sich nicht nur auf die Güte der Arbeit, sondern auch auf die Stabilität des Personalstammes aus.

Hinzu kommen weitere Aspekte:

  • Unterstützung und Fürsorge des Arbeitsgebers: Viele Fachkräfte stehen wegen der hohen Verantwortung im Kinderschutz erheblich unter Druck. Zum einen haben sie Sorge, der fachlichen Verantwortung gegenüber den Kindern und ihren Familien nicht gerecht zu werden. Zum anderen haben sie Angst vor strafrechtlichen Folgen für den Fall, dass ein Kind trotz ihres Einsatzes verletzt wird oder gar zu Tode kommt. Diese Belastungen können dazu führen, dass Fachkräfte das Arbeitsfeld wechseln, wenn sie sich von ihrem Arbeitgeber nicht ausreichend unterstützt und geschützt fühlen.
  • Intensive Begleitung und Unterstützung v.a. zu Beginn: Vor allem in den ersten Berufsjahren benötigen die Fachkräfte zuverlässige fachliche Begleitung und Unterstützung. Die Arbeitgeber müssen sensibel mit dem Risiko der fachlichen und persönlichen Überforderung v. a. unerfahrener Fachkräfte umgehen. Eine gute Mischung aus erfahrenen Fachkräften und Einsteigern ist daher nicht nur im Hinblick auf die Sicherung fachlicher Qualität wichtig, sondern spielt auch bei der individuellen Unterstützung und emotionalen Entlastung neuer Kolleginnen und Kollegen eine Rolle.
  • Verbesserung der Einstellungsverfahrens: Schließlich entsteht Personalfluktuation auch dann, wenn Fachkräfte eingestellt werden, die nicht über die notwendige persönliche oder fachliche Eignung verfügen. Insofern kann auch ein gutes Einstellungsverfahren zur Personalkontinuität beitragen.

Genauere Kenntnisse, warum Fachkräfte den ASD verlassen, fehlen bislang noch. Entsprechende Studien wären hilfreich, um zielgerichtet Maßnahmen der Personalbindung im ASD entwickeln zu können.

Nachwuchssicherung als Aufgabe der Politik

Nicht alle Jugendämter verfügen über passende Strukturen und Verfahren zur Einarbeitung, ausreichende Fortbildungsmöglichkeiten oder Unterstützung bei der Akquise von Fachkräften. Insbesondere kleinere Jugendämter und Jugendämter mit angespannter Haushaltslage stehen hier z. T. vor erheblichen Herausforderungen. Darüber hinaus erfährt die Arbeit im Jugendamt nicht in allen Kommunen und Kreisen die notwendige Anerkennung und Unterstützung durch die Politik und Verwaltung. Die Nachwuchssicherung im Kinderschutz bedarf jedoch auch der Unterstützung durch die Kommunen, die Länder und den Bund.

Unterstützung durch Landesjugendämter

In einigen Bundesländern wurden gute Erfahrungen mit der Unterstützung der Jugendämter durch das Landesjugendamt gemacht. Als hilfreich erwiesen sich:

  • Organisation des Austauschs mit den Hochschulen,
  • Entwicklung von Empfehlungen für Bewerbungsverfahren,
  • Erarbeitung von Kriterien für die Personalauswahl (Einstellungskriterien),
  • Bereitstellung von Angeboten zur Einarbeitung und Fortbildung.

Studierenden Einblicke in die Arbeit des Jugendamtes ermöglichen

Einige Jugendämter verfolgen bei der Personalakquise erfolgreich die Strategie, die Arbeit des Jugendamtes an Hochschulen vorzustellen, oder Möglichkeiten zu schaffen, damit Studierende die Arbeit des Jugendamtes vor Ort kennen lernen.

(Block-)Praktika ermöglichen es Studierenden, Kenntnisse im Arbeitsfeld des ASD zu erwerben sowie die notwendigen Erfahrungen zu sammeln, um fundiert entscheiden zu können, ob die Arbeit im Kinderschutz eine für sie interessante berufliche Perspektive darstellt. Dies könnte die z. T. hohe Personalfluktuation bei Berufsanfängerinnen und -anfängern reduzieren.

Kooperation mit Hochschulen

Durch Zusammenarbeit und intensiven Austausch mit Hochschulen können Jugendämter nicht nur Fachkräfte anwerben, sondern ggf. auch Einfluss auf die Curricula nehmen. Hierbei hat sich als hilfreich erwiesen, Anforderungsprofile für die Tätigkeit im Kinderschutz mit Hochschulen zu diskutieren. Grundsätzlich sollte jedoch festgehalten werden, dass die Ausbildung zwar eine wichtige Voraussetzung für einen guten Einstieg in die Arbeit im Jugendamt ist, eine solide Einarbeitung und Fortbildung jedoch nicht ersetzt.