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Datenschutz bei Willkommensbesuchen: Häufige Fragen

Antworten auf datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Willkommensbesuchen, auch Ersthausbesuche, Begrüßungsservice oder Besuchsdienste genannt

Viele Kommunen bundesweit bieten Eltern nach der Geburt ihres Kindes Besuche zu Hause an. Im Zusammenhang mit diesen Willkommensbesuchen stellen sich eine Reihe von datenschutzrechtlichen Fragen, insbesondere nach dem Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO) im Mai 2018. Aber auch die voneinander abweichenden Regelungen in den verschiedenen Bundesländern werfen Fragen zum Datenschutz bei Willkommensbesuchen auf.

Die vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) zusammengestellten Fragen und Antworten betreffen die notwendige Erlangung der Kontaktdaten der Eltern von Neugeborenen sowie die eigentliche Durchführung der Besuche bei den Familien vor Ort .

Die Informationen zur Erhebung der Kontaktdaten – Teil A, Fragen 1 bis 6 – richten sich insbesondere an Leitungskräfte bzw. koordinierende Fachkräfte von Willkommensbesuchen in Jugend- und Gesundheitsämtern, die zuständig sind für die Erfüllung der Informationsaufgabe aus § 2 Abs.1 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz), sowie an beauftragte freie Träger.

Die Antworten auf Fragen zur Durchführung der Willkommensbesuche – Teil B, Fragen 7 bis 15 – richten sich sowohl an die Fachkräfte, die Willkommensbesuche koordinieren, als auch an die Fachkräfte, die die Eltern besuchen.

A. Erhebung der Kontaktdaten von Eltern Neugeborener

1. Auf welcher Grundlage dürfen die Jugendämter die Kontaktdaten der Eltern erheben?

 

Eine effektive Möglichkeit, die benötigten Kontaktdaten zu erhalten, besteht in einer regelmäßigen ("automatischen") Datenübermittlung durch die örtlichen Meldebehörden an die Jugendämter ohne ausdrückliche Einwilligung der Eltern. Da es sich bei Namen und Adresse der Eltern um personenbezogene Daten handelt, müssen sowohl für die Übermittlung durch die Meldebehörde als auch für die Erhebung seitens der Jugendämter die Voraussetzungen einer gesetzlichen Übermittlungs- bzw. Erhebungsbefugnis erfüllt sein.

Grundsätzlich dürfen die Jugendämter Kontaktdaten von Eltern Neugeborener zum Zweck der Durchführung von Willkommensbesuchen auch ohne Einwilligung der Betroffenen erheben. Denn Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e, Abs. 3 Buchst. b DSGVO erlaubt öffentlichen Stellen die Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn dies zur Erfüllung einer ihnen zugewiesenen, im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist und das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedsstaats eine gesetzliche Grundlage dafür bereithält. Die in § 2 Abs. 1 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) formulierte Informationsaufgabe stellt eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe in diesem Sinn dar.

In den Landesdatenschutzgesetzen (LDSG) aller Bundesländer finden sich Verarbeitungsbefugnisse für öffentliche Stellen zur Erfüllung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben: § 4 LDSG BW, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayDSG, § 3 S. 1 BlnDSG, § 5 Abs. 1 BbgDSG, § 3 Abs. 1 BremDSG, § 4 Alt. 1 HmbDSG, § 3 Alt. 1 HDSG, § 3 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 DSG MV, § 3 S. 1 Nr. 1 NDSG, § 3 Abs. 1 Alt. 1 DSG NRW, § 3 Alt. 1 LDSG RP, § 4 Abs. 1 SDSG, § 3 Abs. 1 Alt. 1 SächsDSG, § 9 Abs. 1 DSG LSA, § 3 Abs. 1 Alt. 1 LDSG SH, § 16 Abs. 1 Alt. 1 ThürDSG.

 

2. Dürfen Meldebehörden den Jugendämtern "automatisch" die Kontaktdaten übermitteln?

 

Zwar dürfen Jugendämter auch ohne Einwilligung der Eltern deren Kontaktdaten erheben. Schwieriger ist jedoch die Frage, ob die Meldebehörden die Daten "automatisch", also ohne ausdrückliche Anforderung durch das Jugendamt im Einzelfall, übermitteln dürfen.

Das Bundesmeldegesetz (BMG) sieht in § 36 Abs. 1 die Möglichkeit regelmäßiger Datenübermittlungen an andere öffentliche Stellen vor. Regelmäßige Datenübermittlungen sind solche, die ohne Ersuchen in allgemein bestimmten Fällen regelmäßig wiederkehrend durchgeführt werden, soweit dies durch Bundes- oder Landesrecht, in dem Anlass und Zweck der Übermittlung, der Datenempfängerinnen und Datenempfänger und die zu übermittelnden Daten festgelegt sind, bestimmt ist (vgl. zur Regelungsbefugnis der Länder § 55 Abs. 5 BMG).

Der Bundesgesetzgeber hat im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) keine einheitliche Übermittlungsbefugnis geschaffen. In gut der Hälfte der Bundesländer ist die regelmäßige Übermittlung von Meldedaten zur Erfüllung der Informationsaufgabe für junge Eltern in Rechtsverordnungen ausdrücklich vorgesehen, wenn auch zum Teil ohne ausdrücklichen Bezug auf die Aufgabe aus § 2 KKG. In diesen Bundesländern können sich die Meldebehörden für die regelmäßige Übermittlung also auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e, Abs. 3 Buchst. b DSGVO i. V. m. § 2 Abs. 1 KKG i. V. m. §§ 36 Abs. 1, 55 Abs. 5 BMG i. V. m. den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften stützen.

 

3. Welche Bundesländer haben landesrechtliche Regelungen für eine regelmäßige Datenübermittlung durch die Meldebehörde?

 

Folgende Bundesländer sehen eine landesrechtliche Regelung für die regelmäßige Datenübermittelung durch die Meldebehörde vor: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Thüringen, Hamburg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Sachsen-Anhalt (Stand: 13.3.2020).

Im Einzelnen finden sich diese landesrechtlichen Regelungen in:

  • Baden-Württemberg: regelmäßige Übermittlung an die Landratsämter (§ 7 AGBMG BW [Baden-württembergisches Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz] i. V. m. § 5 MVO [Baden-württembergische Meldeverordnung])
  • Bayern: regelmäßige Übermittlung an die zuständigen Jugendämter (Art. 10 BayAGBMG Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes) i. V. m. § 8 MeldDV [Bayerische Meldedatenverordnung])
  • Brandenburg: regelmäßige Übermittlung an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 11 Nr. 1 BbgMeldeG [Gesetz über das Meldewesen im Land Brandenburg] i. V. m. § 12 MeldDÜV [Verordnung über regelmäßige Datenübermittlungen der Meldebehörden])
  • Bremen: regelmäßige Übermittlung an das Gesundheitsamt Bremen, einladende Stelle Früherkennung und Frühberatung (Kindeswohl) (§ 8 Nr. 7 BremAGBMG [Bremisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes] i. V. m. § 13 Abs. 4 MeldDÜV [Verordnung zur Übermittlung von Meldedaten] i. V. m. § 14 ÖGDG [Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen])
  • Thüringen: regelmäßige Übermittlung an die Jugendämter (§ 7 Nr. 7 ThürAGBMG [Thüringer Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes] i. V. m. § 26 ThürMeldeVO [Thüringer Meldeverordnung])
  • Hamburg: regelmäßige Übermittlung an die Fachämter Gesundheit (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 HmbAGBMG [Hamburgisches Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz] i. V. m. § 4 HmbMDÜV [Hamburgische Verordnung über regelmäßige Datenübermittlungen und automatisierte Abrufe aus dem Melderegister])
  • Niedersachsen: regelmäßige Übermittlung an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) bb) und § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Nds. AG BMG [Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz] i. V. m. § 7 Abs. 1 NMeldVO [Niedersächsische Meldedatenverordnung] und § 16a Nds. AG SGB VIII [Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs und zur Niedersächsischen Kinder- und Jugendkommission])
  • Nordrhein-Westfalen: regelmäßige Übermittlung an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 11 Abs.1 Nr. 7 MG NRW [Meldegesetz NRW] i.V.m § 10a MeldDÜV NRW [Meldedatenübermittlungsverordnung NRW]
  • Saarland: regelmäßige Übermittlung an die Jugendämter (§ 7 Nr. 2 SaarlBMGAG [Saarländisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes] i. V. m. § 16 MeldDÜV [Verordnung über die Zulassung der regelmäßigen Übermittlung von Daten aus dem Melderegister an Behörden oder andere öffentliche Stellen])
  • Sachsen-Anhalt: regelmäßige Übermittlung an die Landkreise (§ 9 Nr. 6 BMG-AG LSA [Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zum Bundesmeldegesetz] i. V. m. § 8 MeldDÜVO-LSA [Verordnung zur Durchführung von regelmäßigen Datenübermittlungen der Meldebehörden in Sachsen-Anhalt])

 

4. Welche Alternativen gibt es in Bundesländern ohne "automatische" Datenübermittlungen durch die Meldebehörden?

 

In den folgenden Bundesländern steht die Rechtslage einem regelmäßigen, "automatischen" Informationsfluss zwischen Meldebehörden und den nach Landesrecht für die Willkommensbesuche zuständigen Stellen entgegen: Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein (Stand: 13.3.2020).

Hilfsweise wäre es nach dem Wortlaut der Vorschrift möglich, dass die Meldebehörden in diesen Ländern auf Grundlage von § 34 BMG (Bundesmeldegesetz) auf Anfragen der Jugendämter hin die Kontaktdaten von Familien mit neugeborenen Kindern übermitteln. Ein solches Vorgehen wäre jedoch nur effektiv, wenn die Jugendämter regelmäßig (z. B. monatlich) die Kontaktdaten von Eltern Neugeborener erfragen würden. Eine solche regelmäßige Abfrage auf § 34 BMG zu stützen, widerspricht nach hier vertretener Auffassung jedoch der Systematik der Übermittlungsbefugnisse in Abschnitt 5 des BMG. Denn für regelmäßige Datenübermittlungen besteht mit § 36 BMG eine speziellere und damit vorrangige Vorschrift, in der ausdrücklich eine bundes- oder landesrechtliche Regelung verlangt wird, die Anlass, Übermittlungszweck, Empfängerin oder Empfänger und zu übermittelnde Daten festlegt. Diese Hürde würde umgangen, wenn die gleichen Daten auf Grundlage von § 34 BMG auf regelmäßig wiederkehrende Anfragen hin übermittelt würden. Daher stellt § 34 BMG keine dauerhaft rechtssichere Grundlage für regelmäßige Übermittlungen von Meldedaten zur Durchführung von Willkommensbesuchen dar.

Eine Möglichkeit besteht aber darin, dass die Jugendämter Einsicht in die mit Einverständnis der Eltern im Amtsblatt veröffentlichen Daten nehmen. Ansonsten bleibt nur der aufwendigere Weg einer Datenverarbeitung mit Einwilligung der betroffenen Eltern (Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. a, Art. 7 DSGVO). So könnte etwa die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister als Leitung in der Kommunalverwaltung die Eltern über die Möglichkeit von Willkommensbesuchen informieren und sie um Erteilung einer Einwilligung in die Übermittlung ihrer Daten an die für die Besuche zuständige Stelle ersuchen. Das Gleiche könnten die Geburtsklinik oder das Standesamt bei der Anzeige der Geburt tun und die Daten anschließend selbst an das Jugendamt übermitteln.

 

5. Auf welcher datenschutzrechtlichen Grundlage können andere Akteure als das Jugendamt an die Kontaktdaten gelangen?

 

Nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts darf der für die Erfüllung der Informationsaufgabe aus § 2 Abs. 1 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe auch Dritte – also freie Träger, Honorarkräfte etc. – vertraglich mit der Durchführung beauftragen. Diese Dritten können die Kontaktdaten der Eltern auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. E und Abs. 3 Buchst. b DSGVO i. V. m. § 2 Abs. 1 KKG und der jeweiligen landesdatenschutzgesetzlichen Befugnis (siehe Frage 1) i. V. m. der vertraglichen Vereinbarung mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe entweder bei diesem oder direkt bei der Meldebehörde erheben.

Aufseiten des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe dient die Vorschrift im jeweiligen Landesdatenschutzgesetz, die die Verarbeitung von Daten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erlaubt (siehe Frage 1), als Übermittlungsgrundlage. Die Meldebehörde darf – sofern überhaupt eine Befugnis für regelmäßige Übermittlungen vorhanden ist – anstatt an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe auch direkt an den beauftragten Dritten übermitteln. Auf diese Weise wird sie dem datenschutzrechtlichen Gebot der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) sogar besser gerecht als durch eine Kettenübermittlung. Sind regelmäßige Übermittlungen von Meldedaten an das Jugendamt landesrechtlich nicht vorgesehen, besteht auch für andere Akteure nur die Möglichkeit, die Kontaktdaten auf Grundlage einer Einwilligung der Eltern oder aus Veröffentlichungen in Amtsblättern zu erlangen (siehe Frage 4).

 

6. Was gilt, wenn das Gesundheitsamt für die Erhebung der Kontaktdaten zuständig ist?

 

Die Gesundheitsämter können die Erhebung von Kontaktdaten zur Durchführung von Willkommensbesuchen – ebenso wie die Jugendämter – auf die Vorschriften aus den Landesdatenschutzgesetzen stützen, die Datenverarbeitungen zur Erfüllung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben erlauben (siehe Frage 1).

Eine Befugnis für die regelmäßige Übermittlung von Kontaktdaten der Eltern durch die Meldebehörden an die Gesundheitsämter existiert jedoch nur in vier Bundesländern: In Bremen und Hamburg gibt es landesrechtliche Regelungen, die die regelmäßige Übermittlung von Meldedaten an die Gesundheitsämter ausdrücklich vorsehen. In Brandenburg und Niedersachsen ist die regelmäßige Übermittlung von Daten durch die Meldebehörde an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorgesehen. Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist die Kommune, zu der auch die Gesundheitsämter gehören. Ist die Zuständigkeit für die Willkommensbesuche dort angesiedelt, darf die Meldebehörde die Kontaktdaten also direkt an das Gesundheitsamt übermitteln.

In den anderen Bundesländern dürfen die Meldebehörden die benötigten Informationen ggf. hilfsweise auf Grundlage von § 34 BMG (Bundesmeldegesetz) an die Gesundheitsämter übermitteln (zu den diesbezüglichen Bedenken siehe Frage 4). Im Übrigen steht den Gesundheitsämtern nur der Weg über die Amtsblätter oder die Datenverarbeitung mit Einwilligung der Eltern zur Verfügung (zu Einzelheiten siehe Frage 4).

 

B. Durchführung der Willkommensbesuche

7. Gibt es in den Bundesländern große Unterschiede zwischen den datenschutzrechtlichen Regeln?

 

Nein, die für die Durchführung von Willkommensbesuchen durch die einzelnen Fach-/Honorarkräfte bzw. Ehrenamtlichen geltende Rechtslage ist inhaltlich in allen Bundesländern einheitlich. Unterschiede zwischen den Bundesländern finden sich nur im Hinblick auf die Beschaffung der Kontaktdaten der Eltern im Vorfeld der Durchführung der Willkommensbesuche (siehe Teil A).

 

8. Unter welchen Voraussetzungen darf der Willkommensbesuch die Wohnung der Eltern betreten?

 

Willkommensbesuche in der Wohnung der Eltern erfolgen ausdrücklich auf freiwilliger Grundlage (vgl. § 2 Abs. 2 S. 2 KKG, Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz). Auch aufgrund des grundgesetzlichen Schutzes der Familie (Art. 6 Grundgesetz) und des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz) dürfen die Besuche nur mit Einverständnis der Eltern stattfinden. Das gilt auch dann, wenn die ablehnende Haltung erst an der Haustür deutlich wird, etwa, weil zuvor ein Besuchsangebot mit Ablehnungsoption geschickt wurde, von der kein Gebrauch gemacht wurde. Die Besucherin oder der Besucher muss den freiwilligen Charakter des Angebots verdeutlichen und jederzeit respektieren.

 

9. Welche Fragen sind bei Willkommensbesuchen erlaubt?

 

Eine Befragung von Eltern stellt eine Erhebung von personenbezogenen Daten dar, die nur mit der Einwilligung der betroffenen Person(en) oder auf Grundlage einer gesetzlichen Erhebungsbefugnis zulässig ist. Was der Willkommensbesuch durch das Betreten der Wohnung zwangsläufig erfährt, ist von der Einwilligung zu dem Besuch bzw. im Rahmen der Durchführung seiner Aufgabe gedeckt (es gelten die gleichen Befugnisse wie bei der Erhebung der Kontaktdaten, siehe Fragen 1 und 5).

Was den Umfang der Datenerhebung betrifft, sind der datenschutzrechtliche Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) und der Zweckbindungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO) zu beachten. Es dürfen nur Daten erhoben werden, die benötigt werden, um die Eltern passgenau über Angebote für junge Familien zu informieren. Abgefragte Informationen müssen stets einen Rückbezug zu der Aufgabe haben, die Eltern über kommunale Angebote Frühe Hilfen zu informieren.

 

10. Was tun, wenn weitergehender Hilfebedarf der Familie erkannt wird?

 

Das Vorgehen in solchen Situationen ist davon abhängig, wer die Willkommensbesucherin bzw. der Willkommensbesucher ist. Eine Fachkraft des Jugendamts oder eines freien Trägers kann ggf. ihren Eindruck benennen und mit Einverständnis der Eltern den Besuchszweck erweitern und z. B. eine Beratung der Eltern nach § 16 SGB VIII durchführen. Gleiches kann unter Umständen für Honorarkräfte und Mitarbeitende des Gesundheitsamts gelten, wenn z. B. eine Vereinbarung zur aufsuchenden Beratung besteht. Bei Ehrenamtlichen kommt ein solcher Aufgabenwechsel im Zuge eines Willkommensbesuchs grundsätzlich nicht in Betracht.

Zu beachten ist, dass nach der Änderung des Besuchszwecks eine sozialgesetzliche Aufgabe erfüllt wird und daher für Datenverarbeitungsvorgänge nicht das Landesdatenschutzgesetz (LDSG), sondern die sozialdatenschutzrechtlichen Regelungen des SGB I, SGB VIII und SGB X gelten. Für Mitarbeitende des Jugendamts gelten diese Regeln direkt, freie Träger und andere beauftragte Fachkräfte sind verpflichtet, einen vergleichbaren Schutz von Daten sicherzustellen (vgl. § 61 Abs. 3 SGB VIII).

Für die Fachkräfte bedeutet dies zunächst, dass sie die betroffenen Personen nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c DSGVO erneut über die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung informieren müssen. Auf diese Weise wird die Änderung der Rolle der Besucherin bzw. des Besuchers noch einmal verdeutlicht.

Durch den Aufgabenwechsel finden außerdem die sozialgesetzlichen Datenschutzvorschriften Anwendung. Das sind zum einen die jugendhilfespezifischen Vertrauensschutzregelungen des SGB VIII. So führt die Regelung des § 64 Abs. 2 SGB VIII dazu, dass ein mögliches Informationsinteresse anderer Stellen dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Fachkraft und beratener Person untergeordnet wird. Anvertraute Daten, die erkennbar nur der einzelnen Fachkraft anvertraut worden sind, dürfen nur unter den Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Nr. 1-5 SGB VIII weitergegeben werden, insbesondere mit Einwilligung der betroffenen Person(en). Zum anderen gelten für die Erfüllung der Beratungsaufgabe auch die sozialgesetzlichen Befugnisse. Daher dürfen durch die Fachkräfte alle für die Erfüllung dieser Aufgabe erforderlichen Daten erhoben werden (§ 62 Abs. 1 SGB VIII). Dies umfasst regelmäßig weitreichendere Angaben als die, die zur Erfüllung der Informationsaufgabe nach dem KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) erforderlich sind (siehe Frage 9).

 

11. Was gilt, wenn Fachkräfte des Jugendamtes während des Besuchs Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen?

 

Da die Mitarbeitenden die Aufgabe "Willkommensbesuch" durchführen (die nicht SGB VIII, sondern im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) verankert ist), ist fraglich, ob sie durch Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung in ihrem Schutzauftrag nach § 8a Abs. 1 SGB VIII aktiviert werden.

Jedenfalls nach einem Wechsel des Besuchszwecks dürfte dies der Fall sein, da sie dann Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnehmen und sich in der Rolle des Jugendamts, nicht mehr in der als Willkommensbesucherin bzw. Willkommensbesucher befinden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie selbst die Gefährdungseinschätzung durchführen müssen. Sie können ihre Erkenntnisse auch auf Grundlage von § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X i. V. m. § 64 Abs. 2 SGB VIII dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) mitteilen. Soweit dies die Gefährdungslage nicht verschlimmert, sollte das Vorgehen den Eltern gegenüber offengelegt werden.

Vor einer Änderung oder Ausweitung des Besuchszwecks auf Aufgaben nach dem SGB VIII kommt eine Mitteilung von Jugendamtsmitarbeitenden an den ASD nur unter Notstandsgesichtspunkten oder – bei entsprechender Qualifikation der Willkommensbesucherin oder des Willkommensbesuchers – auf Grundlage von § 4 Abs. 3 KKG in Betracht. Dies betrifft insbesondere staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 6 KKG.

 

12. Wie können Fachkräfte freier Träger oder des Gesundheitsamts, Honorarkräfte oder Ehrenamtliche vorgehen, wenn sie während des Besuchs Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen?

 

Werden Willkommensbesuche von Fachkräften freier Träger oder des Gesundheitsamtes durchgeführt, kommt es darauf an, ob zwischen öffentlichem und freiem Träger eine § 8a Abs. 4 SGB VIII entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Die Vorschrift sieht Vereinbarungen zwischen öffentlichen und freien Trägern vor, damit die Fachkräfte bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung eine Gefährdungseinschätzung vornehmen und das Jugendamt informieren, wenn die Gefährdung nicht anders abwendbar ist.

Unmittelbar ist die Vorschrift im Rahmen von Willkommensbesuchen jedenfalls nicht anwendbar, da die Fachkräfte der freien Träger keine sozialgesetzliche Aufgabe wahrnehmen. Denkbar ist jedoch eine entsprechende Anwendung, obwohl auch hier das Risiko dagegensteht, dass der freiwillige und ausgesprochen niederschwellige Charakter von Willkommensbesuchen unterlaufen wird, wenn dabei der Eindruck entsteht, dass die Fachkräfte stets auch potenzielle Kindeswohlgefährdungen im Blick haben sollen.

Jedenfalls sollten den Besucherinnen und Besuchern Empfehlungen durch das Jugendamt (oder die andere zuständige Stelle) an die Hand gegeben werden, wie sie bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung vorgehen können. Wichtig ist insoweit insbesondere, dass für Fachkräfte freier Träger, genauso wie für alle anderen Besucherinnen und Besucher, eine Mitteilung an das Jugendamt unter Notstandsgesichtspunkten oder bei entsprechender beruflicher Qualifikation auf Grundlage von § 4 Abs. 3 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) möglich bleibt (siehe Frage 11).

Etwas anders ist die Situation zu beurteilen, wenn eine Fachkraft eines freien Trägers in Erweiterung des Willkommensbesuchs in eine Beratung der Familie eingestiegen ist und so eine Aufgabe nach dem SGB VIII erfüllt (siehe Frage 10). In einem solchen Fall kann eine ggf. bestehende Vereinbarung nach § 8a Abs. 4 SGB VIII unmittelbare Anwendung finden.

 

13. Welche datenschutzrechtlichen Änderungen haben sich durch die DSGVO ergeben?

 

Die für die Willkommensbesuche geltende Rechtslage ist durch das Inkrafttreten der DSGVO zum 25.5.2018 weitgehend unverändert geblieben. Eine bedeutsame Änderung hat sich jedoch durch die Einführung von Informationspflichten gegenüber den Betroffenen bei der Erhebung personenbezogener Daten ergeben. Nach Art. 13, 14 DSGVO hat der für die Datenverarbeitung Verantwortliche über bestimmte Aspekte der Datenverarbeitung zu informieren, etwa den Zweck der Erhebung, mögliche Empfängerinnen und Empfänger der Daten, den voraussichtlichen Löschungszeitpunkt oder Informations- und Beschwerderechte der Betroffenen. Da auch die Besucherinnen und Besucher im Rahmen des Willkommensbesuchs personenbezogene Daten erheben, sind die Eltern grundsätzlich über die in Art. 13 DSGVO genannten Aspekte zu informieren.

 

14. Welche Informationspflichten bestehen gegenüber den Eltern?

 

Bei der Umsetzung der Informationspflichten sollte darauf geachtet werden, die erforderlichen Angaben dem niedrigschwelligen Charakter der Willkommensbesuche entsprechend aufzubereiten. Eine Information in Schriftform – möglichst schon vorab (z. B. bei der Terminbestätigung) – dürfte zur Entlastung der Besucherin oder des Besuchers vorzugswürdig sein. Es liegt im Verantwortungsbereich der für die Durchführung zuständigen Stellen, ein Informationsblatt zur Übergabe beim Willkommensbesuch zu erstellen, das für die Betroffenen möglichst wenig abschreckend ist und dennoch den Anforderungen aus Art. 13 DSGVO entspricht.

Berücksichtigt werden sollte dabei, dass im Zusammenhang mit einem Willkommensbesuch eine Reihe von Akteuren Daten der Eltern erheben und zur Information verpflichtet sind (Meldebehörde bei der Erhebung beim Standesamt, Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Erhebung der Kontaktdaten bei der Meldebehörde, ggf. freier Träger bei der Erhebung beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Besucherinnen und Besucher bei der Erhebung persönlicher Informationen im Zuge der Durchführung des Willkommensbesuchs). Um die zur Schaffung von Transparenz grundsätzlich begrüßenswerten Informationspflichten nicht ad absurdum zu führen, ist eine Koordination zwischen den beteiligten Stellen wünschenswert. Denn nach Art. 13 Abs. 4 DSGVO bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. a DSGVO entfallen die Informationspflichten, wenn die Betroffenen bereits über die Information verfügen. Bei mehreren zusammenhängenden Datenerhebungsvorgängen sollte diese Vorschrift beachtet werden, um die Menge der Angaben soweit wie möglich zu reduzieren.

 

15. Wann sind die bei der Familie erhobenen Daten zu löschen?

 

Personenbezogene Daten sind zu löschen, sobald sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO). Der Umfang der zulässigen Datenspeicherung richtet sich also wie bei der Datenerhebung danach, welche Informationen für die Erfüllung der zugewiesenen Aufgabe erforderlich sind. Die Aufgabe, Eltern über kommunale Angebote Frühe Hilfen zu informieren, ist regelmäßig mit Beendigung des Besuchs und ggf. Abrechnung mit dem öffentlichen Träger abgeschlossen. Eine erneute Kontaktaufnahme ist grundsätzlich nicht vorgesehen, sodass die Daten mit Abschluss der Aufgabe unverzüglich zu löschen sind.

Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn die Familien die Weitergabe ihrer Daten an andere Stellen durch die Besucherin oder den Besucher wünschen, etwa um weitere Hilfen zu vermitteln. Hierfür ist jedoch eine wirksame Einwilligung der Betroffenen erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, Art. 7 DSGVO). Etwas anderes gilt in Fällen, in denen die Besucherin/der Besucher mit Einwilligung der Betroffenen von einem Willkommensbesuch in eine Beratung übergegangen ist (siehe Frage 10). Dann gehört eine Übermittlung von personenbezogenen Daten der Familie an weitere Stellen – bei Einhaltung des Erforderlichkeitsgrundsatzes – zu dieser Aufgabe, sodass hierfür keine gesonderte Einwilligung eingeholt werden muss.