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Auswertung des Modellprojekts in Osnabrück

Das Elterntelefon hat sich in Osnabrück als gut erreichbarer, attraktiver Zugang zu den Frühen Hilfen vor Ort erwiesen. 

Die Erprobung einer massenmedialen Ansprache von Eltern – das war das Ziel des Modellprojekts, in dem das Elterntelefon der "Nummer gegen Kummer" mit dem regionalen Netzwerk Frühe Hilfen kooperierte: Über das Elterntelefon wurde ein anonymer und kostenfreier Zugang zu den Angeboten des Netzwerks Frühe Hilfen in Osnabrück geschaffen. Bei Bedarf und auf Wunsch der Eltern informieren seitdem die Beraterinnen und Berater am Elterntelefon über Angebote in Osnabrück für Eltern mit Kindern ab der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr in schwierigen Lebenslagen.

Das NZFH förderte in dem Modellprojekt sowohl die Vernetzung des Elterntelefons mit den Akteuren in den Frühen Hilfen in Osnabrück als auch die Bewerbung des Elterntelefons als Zugang zu den Angeboten vor Ort. Beide Bereiche des Projekts wurden wissenschaftlich evaluiert.

Hintergründe des Modellprojekts

Ziel des Modellprojektes war es, zielgruppengerechte Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln, das Elterntelefon im Netzwerk der Frühen Hilfen zu verankern und dessen Gesprächsangebot bekannter zu machen. Eltern mit mindestens einem Kind bis zum Alter von drei Jahren sollte so ein niedrigschwelliger Zugang zu den Angeboten der Frühen Hilfen ermöglicht werden. Die Öffentlichkeitskampagne sollte sie motivieren, das Elterntelefon in Anspruch zu nehmen.

Die Evaluation diente dazu herauszufinden, ob (werdende) Familien mit Kindern bis zu drei Jahren durch die Öffentlichkeitsarbeit angesprochen und die Zielgruppe durch das Elterntelefon in Angebote der Frühen Hilfen vermittelt wurden.

Darüber hinaus diente das Modellprojekt der Erprobung einer möglichen Ausweitung auf andere Städte und Regionen.

Das Modellprojekt und die Durchführung durch Nummer gegen Kummer e.V. (NgK) wurde vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) aus Mitteln der Bundesinitiative Frühe Hilfen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die begleitende Evaluation führte das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH an der Universität Hannover (ies) durch.  

Nummer gegen Kummer e.V. (NgK) führte das Modellprojekt in seiner Funktion als Dachverband des Elterntelefons zwischen Juli 2013 und Juli 2014 in Osnabrück durch. NgK und NZFH kooperierten in der Umsetzung mit dem Fachbereich für Kinder, Jugendliche und Familie der Stadt Osnabrück und dem Elterntelefon. Träger des Elterntelefons in Osnabrück ist der Deutsche Kinderschutzbund Osnabrück e.V. (DKSB). 

Das Modellprojekt wurde durch Informationstreffen der Kooperationspartner, Netzwerktreffen und interne Schulungen der Beratenden des Elterntelefons vorbereitet. Die öffentliche Bekanntmachung des Elterntelefons startete mit einem Pressegespräch in Osnabrück unter Beteiligung von NZFH, NgK und der Stadt Osnabrück, gefolgt von einem Radiobeitrag in einem Lokalsender. Rund 750 Unterstützerpakete für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wurden u.a. an Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Ärztinnen und Ärzte, Beratungsstellen und Ämter sowie Einrichtungen für Familien und Betriebe verschickt.

Die Erfahrungen und Ergebnisse der Modellphase wurden in einem Abschlussworkshop präsentiert.

Die wissenschaftliche Begleitforschung setzte sich aus einer Prozessanalyse der Vernetzung von Elterntelefon und Frühen Hilfen sowie einer Ergebnisevaluation der Öffentlichkeitsarbeit zusammen.

Zentrale Fragen waren dabei:

  • Wurde der Vernetzungsprozess des Elterntelefons mit den Angeboten der Frühen Hilfen erfolgreich durchgeführt?
  • Fühlt sich die Zielgruppe durch die Öffentlichkeitskampagne angesprochen und wird erreicht?
  • Wird die Zielgruppe durch das Elterntelefon in Angebote der Frühen Hilfen vermittelt und haben sie diese in Anspruch genommen?

Ergebnisse zur Öffentlichkeitsarbeit zum Elterntelefon und Frühe Hilfen

Motive, Text und Farbgestaltung der Plakate und Aufsteller wurden von den befragten Eltern und Akteurinnen und Akteuren Frühe Hilfen positiv bewertet. Sie wurden u.a. erlebt als "auffallend", "ansprechend", "präsent", "gut gemacht", "nützlich" oder als "mal etwas anderes".

Besonders viel Zuspruch fand das Motiv "Mutter", gefolgt von dem Motiv "Vater mit Säugling" und "Schwangere". Viele Eltern fanden sich in den dargestellten Situationen wieder und bewerteten die Wahl der Begriffe "nervös" und "genervt" in den Hauptsätzen der Motive als passend. Gelobt wurde, dass auch die Ängste der Väter thematisiert wurden.

Einige Eltern regten an, die Beratungszeiten des Elterntelefons aufzuführen und den Zusatz "anonym und kostenlos" deutlich größer zu zeigen. Außerdem wünschten sie sich ein Motiv, das eine Familie zeigt. Diese Anregungen wurden im Layout aufgenommen.

O-Töne aus der Elternbefragung zu den Motiven:

»Das ist genau das, was man denkt.«
»Man stellt sich viele Fragen und ist ängstlich.«
»Find ich toll. Nur die Plakate fand ich schon beruhigend.«
»Macht Mut, sich Hilfe zu holen. Zeigt, dass man nicht allein mit Problemen dasteht.«
»Ich finde, es ist ein sinnvolles Angebot, um Eltern zu unterstützen und zu zeigen: Kinder brauchen keine perfekten Eltern.«

Für das Modellprojekt in Osnabrück wurden vier Motive entwickelt und Layouts für unterschiedliche Informationsmedien erstellt. Die Plakate, Abreißzettel, Aufsteller und Info-Karten sowie die Plakate in den Bussen, die Großflächenplakate und Citylights wurden durchweg sowohl von der Zielgruppe ((werdende) Eltern in schwierigen Lebenslagen mit Kindern ab der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes) als auch von Eltern mit Kleinkindern im Allgemeinen wahrgenommen.

Vor allem die Frauen haben die Plakate "sehr häufig" und "ständig", aber "nicht übertrieben oft" gesehen und fanden sie "recht auffallend". Die Frauen betonten, dass die Wahrnehmung stark von der eigenen Situation geprägt sei.

Gut gesehen und bewertet wurden neben den wenigen Großflächenplakaten und Citylights insbesondere die Busplakate und Abreißzettel sowie die Aufsteller mit den Info-Karten.

Zitat einer Mutter in der Gruppendiskussion mit Eltern, die bereits ein Angebot der Frühen Hilfen nutzen:

»Mein Freund war vor der Geburt so unsicher, dass er sich von dem Poster mit dem Vater schon verfolgt gefühlt hat – im positiven Sinne.«

Die Fachkräfte in den Frühen Hilfen in Osnabrück bestätigten, dass sich in ihren Einrichtungen Gespräche "rund um die Plakate" entwickelten und ihr Angebot Früher Hilfen auf diese Weise Aufmerksamkeit bekam. So konnten in stark frequentierten Einrichtungen Eltern angesprochen werden, die die Angebote Früher Hilfen bisher nicht kannten.

Zitat einer Akteurin im Abschlussworkshop zum Modellprojekt Osnabrück:

»Die Frühen Hilfen bekommen ein Gesicht.«

Zentraler Bestandteil des Kommunikationskonzepts ist die kostengünstige Streuung der Informationsmedien über Orte, an denen sich (werdende) Eltern aufhalten. Kommunale Partner wie Verkehrsbetriebe, Stadtwerke, Vereine, Handwerkerschaft oder Industrie- und Handelskammer können mobilisiert werden, die Materialien in ihren Einrichtungen und Geschäften aufzuhängen. Die Ärztin oder der Arzt kann ein Plakat in der Geburtsklinik oder der Praxis platzieren und im Gespräch auf die Angebote Früher Hilfen aufmerksam machen.

In Osnabrück erfuhr das Projekt Unterstützung durch die Stadträtin für Familie, Bildung, Kultur, Soziales, Gesundheit und Sport (u.a. im Presseauftaktgespräch), durch die Stadtwerke (Buswerbung), die Handwerkskammer und die öffentlichen Medien (Interviews).

Zitat Mechthild Paul, Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

»Die in Osnabrück erfolgreich erprobten Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit lassen sich leicht für weitere Kommunen anpassen und über das Jahr 2015 hinaus einsetzen. Auch die Vernetzung mit dem Elterntelefon ist bundesweit nachhaltig angelegt.«

Ergebnisse zur Vernetzung von Elterntelefon und Frühe Hilfen

Das Elterntelefon der "Nummer gegen Kummer" ist seit mehr als zehn Jahren anonym und kostenlos unter der Rufnummer 0800 - 111 0 550, über das deutsche Festnetz und über Handy erreichbar.
Nummer gegen Kummer e.V. erhält für das Beratungsangebot Elterntelefon Förderung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und finanziert sich darüber hinaus über Spenden und öffentliche Fördergelder. Die Deutsche Telekom schaltet die bundesweit einheitliche Rufnummer frei, die an über 39 Standorten kommunal bei unterschiedlichen Trägern verankert ist.

Die meist ehrenamtlichen Beratenden sind im Rahmen ihrer umfangreichen Ausbildung im wertschätzenden, vertrauensvollen Umgang mit Eltern geschult. Sie kennen die Sorgen und Nöte von Eltern aufgrund von Überforderung und anderen Belastungslagen. Die Standorte des Elterntelefons sind über den Dachverband Nummer gegen Kummer e.V. organisiert. Dieser ist u.a. zuständig für die bundesweite Öffentlichkeitsarbeit, die Qualitätssicherung, die Schulungsinhalte und jährliche Auswertung der Anrufe, die an jedem Standort erfasst und zentral ausgewertet werden (siehe auch www.nummergegenkummer.de).

Eltern, die vom Festnetz aus anrufen, gelangen an den nächstgelegenen Elterntelefon-Standort. Wer aus dem Mobilnetz anruft, kann auch bei entfernteren Standorten landen. Zentrale Aufgabe des Dachverbandes ist daher die Weitergabe der Informationen über Hilfen in der Region an alle Beratenden bundesweit.

Zitat einer Akteurin Frühe Hilfen im Abschlussworkshop zum Modellprojekt Osnabrück:

»Jeder Zugang, der von Eltern genutzt wird, ist wertvoll. Es sollte viele verschiedene Zugänge in die Frühen Hilfen geben.«

Zitat von zwei Müttern aus der Gruppendiskussion mit Eltern, die bereits ein Angebot der Frühen Hilfen nutzen:

»Wenn man niemanden hat und auch keine Beratungsstelle kennt.«
»Wenn man schon ziemlich fertig ist, vielleicht aber auch schon früher, um mal ein Ohr zu haben. Besser als zu Hause zu sitzen und nicht weiter zu wissen.«

Rund 500 Beraterinnen und Berater arbeiten an den Telefonapparaten. Ihr wichtigstes Anliegen ist, die Anrufenden emotional bei kleinen wie großen Sorgen zu entlasten. Die Anonymität bietet einen geschützten Raum, mit dem die Beratenden verantwortungsvoll umgehen. Die Rufnummer kann von den Beratenden nicht zurückverfolgt werden und der Anruf taucht auf keiner Rechnung auf.

Zitat aus der Elternbefragung zur abschließenden offenen Frage "Was ich zu der Öffentlichkeitsarbeit noch sagen möchte":

»Ich finde es gut, dass damit viel geworben wird, um jeden zu erreichen. Jeder ist mal unsicher, und wenn man sich nicht jemandem Bekanntes anvertrauen möchte, kann man das auch so. Fremden erzählt man mehr als Bekannten.«

Überforderung, Probleme mit dem Partner, Erziehungsfragen bei Kleinkindern, Schlafstörungen, sexueller Missbrauch, Geschwisterproblematiken, Trauer ... Die Beratenden haben Zeit und hören zu. Gemeinsam mit den Anrufenden überlegen sie, welche Möglichkeiten und Ressourcen diese haben, um Krisen und schwierige Alltagssituationen zu meistern. Sie informieren die Eltern über weiterführende Angebote vor Ort und motivieren die Anrufenden, diese zu nutzen. Diese Aufgabe können sie passgenau für die Angebote der kommunalen Netzwerke Frühe Hilfen erfüllen.

Zitat der Evaluatoren zur Auswertung der Online-Statistik des Elterntelefons:

»Häufig kristallisiert sich erst im Verlauf des Gesprächs heraus, was genau das Anliegen der Mutter oder des Vaters ist. Das bestätigt den Ansatz der Öffentlichkeitskampagne, das Elterntelefon mit einer anonymen und kostenlosen Rufnummer als Zugang zu den Frühen Hilfen zu bewerben.«

Die Vernetzung mit den Beratenden am Elterntelefon erfordert die Vorstellung jedes einzelnen Angebotes im kommunalen Netzwerk Frühe Hilfen. Dies führt zum einen zu mehr Transparenz und Verständnis der Akteurinnen und Akteure Frühe Hilfen untereinander. Zum anderen öffnet sich das Netzwerk für Außenstehende. Neue Partnerinnen und Partner lassen sich leichter gewinnen, wenn das gemeinsame Ziel formuliert ist.

In Osnabrück wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl der Akteurinnen und Akteure in den Frühen Hilfen gestärkt. Die Fachkräfte bewerteten die Vielfalt der im Netzwerk vorhandenen Angebote nicht als Konkurrenz sondern als Gewinn für die Eltern.

Zitat der Evaluatoren:

»In Osnabrück ist es gelungen, die bislang nicht formal vernetzten Akteurinnen und Akteure Frühe Hilfen für das Modellprojekt zu gewinnen und damit den weiteren Vernetzungsprozess anzustoßen.«

Die im Modellprojekt am Standort Osnabrück entwickelten Arbeitsschritte und Verfahren sprachen dafür, die Vernetzung und Bewerbung des Elterntelefons im Netzwerk Frühen Hilfen in weiteren Kommunen zu erproben. 11 Kommunen und Landkreise haben sich im Folgejahr an der Erprobungsphase beteiligt.

Weitere Informationen auf fruehehilfen.de

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