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Themenforum II: Umgang mit kommunalspezifischen Daten für Planung und Steuerung im Bereich der Frühen Hilfen

Jens Pothmann (TU Dortmund) und Olimpio Acerenza (Stadt Mainz)

"Wichtig ist das Zusammenspiel von Konzeption und empirisch gestützten Daten"

Jens Pothmann von der TU Dortmund berichtete von einem vom NZFH geförderten Projekt der Universität aus den Jahren 2016 bis 2019. Das von der TU in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Frühe Hilfen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) entwickelte "Indikatorenmodell" stieß in der Runde auf besonders hohes Interesse, ebenso wie die Einblicke in die Organisation und Planung der Frühen Hilfen in der Stadt Mainz, die Teile des Modells in der Praxis erprobt hat.

Drei Thesen gliederten den Vortrag von Jens Pothmann:

1. Datengestütztes Arbeiten kann wichtige Impulse für kommunale Netzwerkarbeit leisten, aber es braucht "Orte".

Kommunales Monitoring zu Frühen Hilfen steckt z.T. noch immer in den Anfängen, aber es besteht Interesse und Bedarf an der Entwicklung von Indikatoren für Planung und Steuerung seitens der (kommunalen) Praxis. Eine große Herausforderung besteht darin, eine belastbare Datengrundlage zu schaffen. Wenn dies gelingt, können die Indikatoren Planungsaufgaben, Qualitätsentwicklung und Steuerung unterstützen. Sowohl die empirischen Daten als auch die kommunikativen Räume und Prozesse sind von entscheidender Bedeutung für eine gelingende Planung und Steuerung der Frühen Hilfen.

2. Indikatoren sind geeignete Instrumente für ein kommunales Monitoring zum Auf-/Ausbau institutionalisierter Früher Hilfen (Angebote und Strukturen). 

Zur Begründung dieser These wird aus der Vorgehensweise des Projektes berichtet: Zunächst wurde zusammen mit der Fachgruppe Frühe Hilfen (FH) im DJI ein "Logisches Modell Frühe Hilfen" (heuristisches Konzept) entwickelt. Hierzu wurden zunächst konzeptionelle Grundlagen aufgearbeitet, Rahmenbedingungen beschrieben sowie Aktivitäten und deren mögliche Wirkungen herausgearbeitet. Darauf aufbauend wurde ein Indikatorenmodell auf Basis zentraler konzeptioneller Arbeiten, von Gesetzestexten und Ausführungsbestimmungen sowie Vereinbarungen etc. entwickelt. Diese konzeptionellen Arbeiten sind vergleichsweise umfassend bis hin zu der Zielformulierung, mit den FH einen Beitrag zu den Fragen leisten zu wollen, wie Kinderrechte umgesetzt werden können und Kinder sicher aufwachsen können.

Einschub zum Indikatorenbegriff

  • Indikatoren sind Messziffern, die quantitativ erfassbare Sachverhalte in standardisierter Form bündeln und komprimieren (abstraktionsbasierende Wirklichkeitsdarstellungen). 
  • Es sind Messgrößen, die Informationen bündeln sowie für die Praxisentwicklung und den politischen Raum Ausgangslagen und Entwicklungsetappen transparent machen.  

3. Der Umgang mit kommunalen Daten umfasst einerseits Potenziale für Berichterstattung und Planung, aber andererseits auch Herausforderungen.

Die Potenziale und Herausforderungen einer kommunalen Datensammlung sieht Jens Pothmann in einem funktionierenden Datenmanagement – "Daten müssen organisiert werden.". Um dies zu erreichen, sollte man sich u.a. vor Ort fragen, welche Daten bereits erhoben werden, wie belastbar diese Daten sind, welche (technische) Unterstützung für ein Datenmanagement zur Verfügung steht oder wie regional differenziert die Daten ausgewertet werden können.

Unbedingt nötig: Die richtige Ausstattung und bewährte Tools – Praxisbericht von Olimpio Acerenza aus Mainz

Ein Teil des Indikatorensets Frühe Hilfen wurde in Mainz ausprobiert, das Olimpio Acerenza (Jugendhilfeplanung der Stadt Mainz) den Teilnehmenden der Konferenz vorstellte.

In seinem Praxisbericht stellte er sogleich eine Verknüpfung zum Themenforum I, der politischen Verankerung von Frühen Hilfen: Man habe gesehen, dass eine Qualitätsentwicklung nötig sei, um mit Leitungskräften und dem Sozialdezernenten eine Zieldiskussion zu führen und schließlich im Jugendhilfe-Ausschuss zu präsentieren, was entwickelt wurde. Wie hat das Vorgehen in Mainz funktioniert? Sein Erfahrungsbericht gewährte ehrliche Einblicke zu den Tücken des Details.

"Wie viele Fachkräfte arbeiten bei uns eigentlich in dem Feld, das wir untersuchen wollen – den Frühen Hilfen?" Es sind nicht selten die einfachsten Fragen, die zu Beginn am wenigsten klar sind – und die das Vorgehen komplizierter machen als geahnt. So erging es auch der Stadt Mainz, die den Bedarf an Frühen Hilfen ermitteln wollte und dazu das von der TU Dortmund in Zusammenarbeit mit dem NZFH entwickelten Indikatorenset Frühe Hilfen nutzte.

Um an relevante Daten zu gelangen, kooperierte die Stadt mit vielen Partnerinnen und Partnern, u.a. dem Gesundheitsamt für die Angaben zu Einschulungsuntersuchungen, aber auch mit Fachämtern der Kommune, dem Amt für Jugend und Familie (HzE, KWG) sowie dem Amt für soziale Leistungen (Eingliederungshilfen).

Zu den Herausforderungen, mit denen anfangs niemand gerechnet hatte, gehörte neben der Frage nach der genauen Anzahl der Frühe-Hilfen-Fachkräfte in Mainz auch die folgende: "Wenn 40 Fragebögen zurückkamen, war das viel? War das wenig?" Nicht weniger komplex war die Aufgabe, die einmal ermittelten Daten digital zu erfassen, da sich die Software als ungeeignet herausstellte und man wider Erwarten auf analoge Arbeitsmethoden und auf Papier zurückgreifen musste.
Das Ergebnis der Befragung fasste Olimpio Acerenza so zusammen:

  • Es gebe eine "hohe Übereinstimmung zwischen dem abgebildeten Bedarf des Indikatorensets und dem Bedarf, den die Fachkräfte in der Befragung geäußert haben. In dem Fachkräftegespräch wurden die Ergebnisse zum Bestand und Bedarf weiter präzisiert."  
  • So wurde bei dem Fachkräftegespräch deutlich, dass es weiteren Bedarf an wohnortnahen und gut erreichbaren zentralen Angeboten gibt; 
  • Das Modell wurde verwendet, um ein niedrigschwelliges (auch aufsuchendes) Unterstützungs- und Beratungsangebot auszuarbeiten, das in den Stadtteilen vorgehalten wird, wo der Bedarf an Frühen Hilfen am größten ist.  
  • In seinem Fazit des Modellprojekts wies der Jugendhilfeplaner nicht nur darauf hin, wie wichtig die richtige Auswahl der Indikatoren sei, um ein stimmiges Gerüst für die Bedarfsermittlung von "Frühen Hilfen" zu erhalten. Wesentlich sei auch, dass man für die digitale Umsetzung eines solchen Vorhabens auch die richtige Ausstattung und bewährte Tools zur Verfügung hätte. Und schließlich stellte er heraus, dass die Daten auf kleinräumiger Ebene verfügbar sein müssten, d.h. in Stadtteilen und Stadtbezirken. Schließlich ginge es darum zu wissen, "mit wie vielen Ressourcen wir wohin gehen müssen, um den Bedarf der Familien zu decken".