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Familienbezogene Tätigkeiten von Netzwerkkoordinierenden – Ergebnisse

Zentrale Ergebnisse aus der Sekundäranalyse der NZFH-Kommunalbefragungen, aus der Analyse von Regelungen, Empfehlungen und Arbeitshilfen auf Länder- und Bundesebene und aus Interviews mit Netzwerkkoordinierenden 

Analyse 1: Sekundäranalyse der NZFH-Kommunalbefragungen

Familienbezogene Tätigkeiten: Kontakt- und Vermittlungsstelle, Koordinierung 

Die Sekundäranalyse von Daten aus den NZFH-Kommunalbefragungen zu Netzwerkkoordinierenden und den strukturellen Bedingungen, unter denen sie unterschiedliche Tätigkeiten ausüben, hat gezeigt, dass familienbezogene Tätigkeiten bei Netzwerkkoordinierenden in den Frühen Hilfen sehr weit verbreitet sind. Organisatorisch sind fast alle Netzwerkkoordinierungsstellen ausschließlich an Jugendämtern angesiedelt. Dass Netzwerkkoordinierungsstellen auch Kontakt- und Vermittlungsstelle für Familien und Fachkräfte sind, kommt in 88,4 Prozent der Koordinierungsstellen vor, und scheint somit mittlerweile Standard zu sein.

Die Koordination von Gesundheitsfachkräften in über zwei Drittel der Netzwerkkoordinierungsstellen ist ebenfalls sehr weit verbreitet, und damit auch die Anbindung von Gesundheitsfachkräften und den von ihnen ausgeübten Angeboten an Jugendämter. Die Verbindung der Netzwerkkoordination mit der Koordination von Freiwilligen ist mit 27,5 Prozent deutlich weniger verbreitet. Zusammengefasst bedeutet dies also, dass neun von zehn Koordinierungsstellen familienbezogene Tätigkeiten ausüben.

Rahmenbedingungen: Ressourcen, Qualifizierung

Hinsichtlich der Rahmenbedingungen fällt die Einschätzung, ob die zur Verfügung stehenden Ressourcen ausreichen, sehr unterschiedlich aus. Mit den Analysen konnte nachgezeichnet werden, dass deutschlandweit und im Mittel gesehen Kommunen mit familienbezogenen Aufgaben nicht schlechter ausgestattet sind als Kommunen mit rein strukturbezogenem Profil.

Dass die Netzwerkkoordinierenden für familienbezogenen Aufgaben sehr gut qualifiziert sind, zeigt die Personalstatistik. Rund 90 Prozent der Fachkräfte sind auf akademischem Niveau sozialpädagogisch qualifiziert, über 52 Prozent haben eine Zusatzqualifikation zur Insoweit erfahrenen Fachkraft im Kinderschutz. Nur ca. 23 Prozent haben keine Berufserfahrungen in den Hilfen zur Erziehung oder im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD).

Die Sekundäranalyse zeigte außerdem, dass die Kombination der unterschiedlichen familienbezogenen Funktionen und auch die Ausprägungen der einzelnen Aufgaben, die damit jeweils verbunden sind, sowohl viele Gemeinsamkeiten als auch eine große Varianz zwischen den Kommunen aufweisen. Entsprechend fällt es schwer, trotz der deutlichen Einzelbefunde ein genaues Gesamtbild zu bekommen. Hier sollten mithilfe der Analyse 3, der an verschiedenen Orten in Deutschland durchgeführten Interviews, vertiefte Informationen gewonnen werden.

Zentrale Ergebnisse sind auch auf fruehehilfen.de zusammengefasst:

Analyse 2: Regelungen, Empfehlungen und Arbeitshilfen auf Länder- und Bundesebene

Mit der Analyse von Regelungen, Empfehlungen und Arbeitshilfen zu den Frühen Hilfen auf Länder- und Bundesebene wurde der Frage nachgegangen, inwieweit familienbezogene Aufgaben in den untergesetzlichen Vorgaben, im einschlägigen Fachdiskurs und in der Qualitätsentwicklung bislang berücksichtigt wurden.

Konzepte und Leitfäden auf Länderebene 

Auf Länderebene zeigen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. In zwei Bundesländern gehören familienbezogene Aufgaben von Netzwerkkoordinierenden explizit zum Landeskonzept. In einem Landeskonzept wird die Verbindung von Netzwerkkoordination und Koordination von Gesundheitsfachkräften hervorgehoben, in weiteren liegt die Verbindung der Koordination von Netzwerken mit der von Gesundheitsfachkräften oder aufsuchender sozialpädagogischer Arbeit nahe, ohne dass dies explizit ausgewiesen wird. In sieben Bundesländern gibt es überhaupt nur wenige oder gar keine Regelungen und Empfehlungen, die über das von der Bundesstiftung Frühe Hilfen definierte Mindestmaß hinausgehen. Bei vier von diesen Bundesländern wird zumindest angedeutet, dass es die Kombination der Koordination von Netzwerken und Gesundheitsfachkräften geben kann. In zwei weiteren Bundesländern ist die konzeptionelle Verbindung von Koordinierungsaufgaben implizit ausgeschlossen. Nur in einem Bundesland wird die Kombination von netzwerkbezogenen und familienbezogenen Aufgaben explizit nicht empfohlen. Wie im NZFH-Kompetenzprofil für Netzwerkkoordinierende  wird dort hervorgehoben, dass familienbezogene Tätigkeiten keine originären Aufgaben der Netzwerkkoordination Frühe Hilfen sind und dass die Koordination und fachliche Begleitung von Gesundheitsfachkräften und Freiwilligen sowie die Einzelfallbegleitung von Familien eigene Stellenanteile erfordern. Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dies in Personalunion geschieht. Was die Qualitätsentwicklung in dem Bereich angeht, konnten sechs Beiträge analysiert werden. Diese beschäftigen sich hauptsächlich mit (Aspekten) der Koordination von Gesundheitsfachkräften und der Koordination von Frühen Hilfen und dem ASD. Ein für Gesundheitsfachkräfte entwickelter Leitfaden liefert Anknüpfungspunkte, wenn auch eher indirekt, für eine weitere Qualitätsentwicklung auch auf Bundesebene.

Empfehlungen und Förderrichtlinien aus Bundesebene

Die Analyse der Empfehlungen und Förderrichtlinien, die auf Bundesebene in den letzten 15 Jahren zentrale Impulse für die Qualitätsentwicklung in den Frühen Hilfen lieferten, zeigt eine umfangreiche Unterstützung von sozialplanungsbezogenen und Netzwerkmanagement-Aufgaben von Netzwerkkoordinierenden. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass zu Beginn der Frühen Hilfen der größte Bedarf darin bestand, eine Vielzahl von nebeneinanderstehenden Angeboten durch eine Koordination systematisch miteinander zu verzahnen. Die strukturelle und systematische Verbindung von familienbezogenen und strukturbezogenen Aufgaben war zunächst nicht zentral. Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen (siehe auch Analyse 1), dass die empirisch nachzuzeichnende Entwicklung in diese Ausweitung geht.

Analyse 3: Interviews mit Netzwerkkoordinierenden

Durch die Analyse der Interviews mit Netzwerkkoordinierenden aus insgesamt 22 Kommunen wurden vier für das Feld konstitutive Kernaufgaben herausgearbeitet: 

Führen von Erstgesprächen mit den Eltern

In ihrer Funktion als Kontakt- und Vermittlungsstelle sind Erstgespräche für die befragten Netzwerkkoordinierenden wichtig, um den Hilfebedarf einer Familie einschätzen zu können und zu sondieren, welches Unterstützungsangebot für die jeweilige Familie in Frage kommt. Hierzu können sie direkt auf ihre Expertise zu Angeboten im Netzwerk zurückgreifen. Laut Netzwerkkoordinierenden ist es dabei wichtig auf die subjektiven Belastungen der Familien und deren Wünsche einzugehen, Ressourcen zu identifizieren und gegebenenfalls Vorbehalte gegenüber Unterstützungsangeboten abzubauen. Ein partizipativer, transparenter Ansatz bei der Auswahl der Hilfen schaffe Vertrauen und erleichtere es Eltern die Unterstützung anzunehmen. Zudem gaben Netzwerkkoordinierende an, vermittelnden Netzwerkpartnern oder Gesundheitsfachkräften, die bereits in Verbindung mit einer Familie stehen, im Erstgespräch unterstützend zur Seite zu stehen, etwa um Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung und entsprechende Maßnahmen zu klären.

Ob das Erstgespräch telefonisch geführt wird oder im Rahmen eines Hausbesuchs stattfindet, ist den Netzwerkkoordinierenden zufolge abhängig von der jeweiligen Situation oder Bedarfslage einer Familie und wird mitunter auch spontan entschieden. An einigen Standorten sind gemeinsame Hausbesuche als Erstkontakt aber auch konzeptionell angelegt und grundsätzlich vorgesehen.

Koordination der Gesundheitsfachkräfte

Den befragten Netzwerkkoordinierenden obliegt in den allermeisten Fällen auch die Koordination eines Teams aus Gesundheitsfachkräften. So entscheiden häufig nicht die Netzwerkkoordinierenden alleine, ob und welche Unterstützung der Frühen Hilfen für vermittelte Familien geeignet ist, sondern sie beraten sich gemeinsam mit den Gesundheitsfachkräften. Im Rahmen dieser kollegialen Fachberatung werden kompetenz- und ressourcenorientiert den Familien entsprechende Fachkräfte zugeteilt, Betreuungsverläufe besprochen und gegebenenfalls angepasst. Die breiten Kenntnisse und Verbindungen der Koordinierenden in das Netzwerk ermöglichen einen für die Gesundheitsfachkräfte hilfreichen Wissenstransfer sowie für die Familien eine passgenaue Empfehlung und Weiterentwicklung von Angeboten. 

Die konzeptuelle Ausgestaltung dieser kollegialen Beratungsform variiert dabei je nach den Bedürfnissen der Kommune. Zudem trägt die Koordination der Gesundheitsfachkräfte durch die Netzwerkkoordinierenden nach eigener Einschätzung auch zur Einhaltung fachlicher Standards in der Familienbetreuung bei und ist somit ein wichtiger Faktor in der Qualitätssicherung und -entwicklung.

Fallbezogene Kooperation mit dem ASD

In Fällen, in denen Gesundheitsfachkräfte einschätzen müssen, ob der Unterstützungsbedarf der Familien über die Zuständigkeiten der Frühen Hilfen hinausgeht, übernehmen die befragten Netzwerkkoordinierenden verschiedene Funktionen. Manche Netzwerkkoordinierende beschreiben eine Brückenfunktion, indem sie Motivationsgespräche mit der Familie führen und in der Folge auf Wunsch der Familie den Kontakt mit dem ASD herstellen. Bei Bedarf, oder wenn es konzeptionell so vorgesehen ist, nehmen sie im Rahmen eines Übergangsmanagements an gemeinsamen Gesprächen mit Fachkräften des ASD (und der Frühen Hilfen) sowie den Eltern teil. Durch ihr Wissen um institutionelle Abläufe im Jugendamt, das sie häufig aus ihrer bisherigen Berufserfahrung mitbringen, kann so die Vermittlung in Hilfen zur Erziehung erleichtert werden.

Wird eine Familie in einem in manchen Kommunen möglichen Tandemmodell betreut, also von einer sozialpädagogischen Familienhilfe (ASD) und einer Gesundheitsfachkraft der Frühen Hilfen, werden die Interessen der Frühen Hilfen (Beteiligung an Hilfeplangesprächen, Abgrenzung der Aufgabenbereiche) häufig durch Netzwerkkoordinierende vertreten. Ebenso bieten sie den Gesundheitsfachkräften fachlichen Rückhalt und erhöhen so deren Handlungssicherheit in schwierigen Fällen.

Verbindung von Netzwerkarbeit und familienbezogenen Tätigkeiten

Von den Interviewten wurden sowohl für die Kernaufgaben spezifische Vorteile von familienbezogenen Tätigkeiten, die zum Teil in den vorangegangenen Absätzen ausgeführt wurden, als auch aufgabenübergreifende Vorteile genannt. Bis auf wenige Ausnahmen waren sich die befragten Netzwerkkoordinierenden einig, dass erst die Kombination aus Netzwerkarbeit und familienbezogenen Tätigkeiten ihre Koordinierungsaufgabe ausmache beziehungsweise diese beiden Aufgaben sich gegenseitig bedingen. Familienbezogenes Praxiswissen stärkt die Akzeptanz der Netzwerkkoordinierenden als Expertinnen und Experten sowohl bei den Gesundheitsfachkräften als auch bei Netzwerkpartnern sowie Akteuren, die für die Realisierung von Angeboten und Projekten geworben werden sollen. Die (in)direkte Arbeit mit Familien ermöglicht den Netzwerkkoordinierenden insgesamt die Familienorientierung der Frühen Hilfen und der Koordinierungsstelle zu stärken.

Netzwerkbezogene Arbeit und familienbezogene Tätigkeiten wurden in den Interviews daher nicht als Entweder-Oder betrachtet, sondern stehen miteinander in einer dynamischen Wechselwirkung. So werden die eigenen Erfahrungen mit Familien in die Netzwerkarbeit mit eingespeist und Informationen über (neue) Kooperationspartner aus dem Netzwerk und deren Angebote fließen wiederum in die Arbeit mit Familien. Dieser wechselseitige Prozess wurde von den Netzwerkkoordinierenden auch als wichtiger Teil von Qualitätsentwicklung 

Fazit

Letztlich zeigen die Ergebnisse der im Projekt durchgeführten Analysen, dass Netzwerkkoordinierungsstellen als einzige verstetigte Basisstruktur in den Frühen Hilfen nicht nur zentrale Auskunftsstellen für Bund, Länder und Netzwerkakteure in den Kommunen sind, sondern auch Informations-, Beratungs- und Koordinierungsfunktionen für Fachkräfte in den Frühen Hilfen sowie für Kooperationspartner und auch Familien haben. Die Ausgestaltung der verschiedenen Funktionen hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen in den Ländern und Kommunen ab und muss innerhalb der vorgegebenen Möglichkeiten individuell ausgehandelt werden.

Bei zukünftigen Überlegungen zur Aufgabengestaltung und personellen Ausstattung von Netzwerkkoordinierungsstellen sollte die empirisch nachgezeichnete Aufgabenvielfalt berücksichtigt werden. Auch sollten weitere Impulse für die Qualitätsentwicklung erarbeitet werden, um Netzwerkkoordinierende beispielsweise bei der Koordinierung von Gesundheitsfachkräften zu unterstützen.