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Hilfebedarf und Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten in Alleinerziehenden-, Stief- und Kernfamilien

Einführend stellte Ulrike Lux, kommissarische Leiterin der Fachgruppe Frühe Hilfen im Deutschen Jugendinstitut (DJI), verschiedene Daten zu Familienformen mit minderjährigen Kindern vor. So zeigten Daten des Statistischen Bundesamtes, dass im Jahr 2018 fast ein Fünftel aller Familien Alleinerziehende seien. Da keine Zahlen für Stieffamilien erhoben würden, versteckten sich diese in den Daten zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften oder zu Ehepaaren. Auch ging sie auf Besonderheiten der verschiedenen Familienformen ein.

Welche Folgen haben Trennung oder Scheidung für Ex-Partner und deren Kinder?

Neben dem höheren Armutsrisiko von Alleinerziehenden steige auch das Risiko gesundheitlicher und psychischer Belastungen. Zudem sinke das subjektive Wohlbefinden und Selbstwertgefühl nach einer Trennung. Zusätzliche Stressoren, wie Einkommensverlust, Umzug oder Umgangskonflikte, verschärften die emotionalen Belastungen.

Einigkeit bestehe darin, dass Kinder Nachteile in der psychosozialen Entwicklung im Vergleich zu Kindern aus Kernfamilien hätten, wobei hier eine geringe Effektstärke und erhebliche Varianz zu beobachten sei. Das hieße, dass nicht alle Kinder nach einer elterlichen Trennung (mittel- und langfristig) belastet seien, und auch die Stärke der Belastung sehr unterschiedlich sei. Belastungsarten seien erhöhter emotionaler Stress, Erschöpfung, emotionale Probleme sowie Schuldgefühle und geringes Selbstwertgefühl. Hinzu kämen geringere kognitive und soziale Fähigkeiten, mehr Verhaltensprobleme und eine geringere Bindungssicherheit, besonders, wenn die Trennung sehr konfliktbelastet gewesen sei. Im Spielverhalten zeige sich zum Beispiel Ablehnung des Spielens und ein niedrigeres Spielniveau.

Wichtig sei in dem Zusammenhang, dass die meisten Belastungen nur mittelfristig, etwa bis zu zwei Jahre nach der Trennung, auftreten würden.

Welche Chancen und Herausforderungen bringen Stieffamilien im Vergleich zu Alleinerziehenden mit sich?

Eine neue Partnerschaft bringe durchaus viele Vorteile mit sich, wie zum Beispiel eine bessere Einkommenssituation, die sich in geringerer subjektiver Belastung niederschlage und die persönliche Unterstützung durch den neuen Partner oder die Partnerin. Zudem zeigte sich, dass Eltern durch die neue Partnerschaft auch ihre Trennung besser bewältigen könnten.

Andererseits sei es eine Herausforderung, die neue Paarbeziehung neben bestehenden Familien- und Elternpflichten zu entwickeln. Zudem sei die Rolle des Stiefelternteils gesellschaftlich häufig negativ besetzt (Stichwort "Stiefmutter"). Auch die Zusammenarbeit in der Erziehung, mit dem Stiefelternteil und dem getrenntlebenden Elternteil, sei häufig herausfordernd.

Nach diesen Ausführungen blickte sie anschließend mithilfe repräsentativer Daten aus zwei Studien ausführlicher auf die Gruppe der Alleinerziehenden mit jungen Kindern, ihre Belastungen und die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten sowie Weiterentwicklungsbedarfe. Zum einen ging sie auf Ergebnisse der Repräsentativbefragung KiD 0-3 aus dem Jahr 2015 ein, aus der insbesondere Erkenntnisse zu Alleinerziehenden vorlägen. Zum anderen zog sie Ergebnisse des Surveys AID:A des DJI ein, der Stieffamilien genauer differenziere, und somit auch Daten zu sogenannten komplexen Stieffamilien liefere.

Welche Familienformen werden in den Studien unterschieden?

Mit dem Begriff "Kernfamilien" seien Eltern mit leiblichen Kindern gemeint. Als "Alleinerziehend" werde ein Elternteil bezeichnet, der nach dem Tod oder Trennung vom anderen Elternteil mit einem oder mehreren Kindern alleine zusammenlebt. "Stieffamilien" subsumierten verschiedene Familien-Formen, in denen Familien zusammenleben, in denen mindestens ein Kind nicht das leibliche Kind beider Eltern ist. Unterschieden würden einfache, zusammengesetzte und komplexe Stieffamilien, je nachdem ob einer oder beide Erwachsene leibliche Kinder aus einer vorangegangenen Partnerschaft hätten und ob es gemeinsame Kinder in der neuen Partnerschaft gebe.

Welche Daten liegen zu sozioökonomischen und psychosozialen Belastungen von Alleinerziehenden und Stieffamilien vor?

Die Datenlage zu Belastungen fasste sie zusammen mit dem Hinweis, dass diese bisher häufig nur im Vergleich zwischen Alleinerziehenden und Kernfamilien untersucht worden seien, weniger mit Blick auf Stieffamilien. Insgesamt sei die Inanspruchnahme von Angeboten aus Familiensicht noch wenig beleuchtet.

Bekannt sei unter anderem aus dem Mikrozensus, dass Alleinerziehende das mit Abstand höchste Einkommensarmutsrisiko hätten im Vergleich zu anderen Haushaltstypen.

Dies bestätigten auch die beiden vorgestellten Studien: So zeigten beide Studien ein erhöhtes Armutsrisiko von Alleinerziehenden im Vergleich zu anderen Familienformen. Weitere häufiger auftretende Belastungsmerkmale seien niedrige Bildung und junges Alter der Mutter (unter 24 Jahre). Der Migrationshintergrund sei in verschiedenen Familienformen nicht unterschiedlich.

Zudem habe die Studie KiD 0-3 von 2015 gezeigt, dass auch psychosoziale Belastungen wie Angst- und Depressionssymptome in Alleinerziehenden- und Stieffamilien signifikant höher seien im Vergleich zu Kernfamilien. Mangelnde soziale Unterstützung und erhöhte negative Emotionalität sei nur im Vergleich von Alleinerziehenden und Kernfamilien sichtbar.

Welche Unterstützungsangebote nehmen Alleinerziehende in Anspruch?

Die Auswertungen zeigten, dass Alleinerziehende universelle Angebote seltener in Anspruch nehmen würden als Kernfamilien. Dies sei sowohl für medizinische Angebote, zum Beispiel Geburtsvorbereitungskurse, Hebammenhilfe und Rückbildungskurse, als auch für Angebote der Familienbildung der Fall, zum Beispiel Eltern-Kind-Gruppe oder Elternkurse. Stieffamilien würden diese universellen Angebote etwas häufiger nutzen, aber auch weniger im Vergleich zu Kernfamilien.

Eine erfreuliche Ausnahme stelle die Nutzung von Angeboten in Familien- und Stadtteilzentren dar. Diese würden in der Studie KiD 0-3 von 2015 von allen Familienformen vergleichbar häufig genutzt.

Anders sehe es bei der Inanspruchnahme selektiver Angebote aus: Sowohl Alleinerziehende als auch Stieffamilien nutzen Schwangerschafts- und Erziehungsberatung deutlich häufiger als Kernfamilien. Auch indizierte Angebote wie Frühförderung würden von Alleinerziehenden häufiger genutzt, in den AID:A-Daten auch von komplexen Stieffamilien im Vergleich zu Kernfamilien.

Auf Grundlage der vorgestellten Studien ließe sich zusammenfassen, dass Alleinerziehende und Stieffamilien eher individuelle, selektive Angebote nutzen. Hingegen nutzen sie weniger Gruppenangebote – möglicherweise auch deshalb, weil sich insbesondere Alleinerziehende unter den vermeintlich glücklichen Kernfamilien in solchen Angeboten nicht so wohl fühlen.

Welche Erkenntnisse liefern die Daten und welche Fragen ergeben sich daraus?

Von dem Angebotsspektrum früher Unterstützungsangebote nutzten insbesondere Alleinerziehende weniger universelle Angebote, würden aber häufiger selektive Angebote in Anspruch nehmen.

Daraus ergebe sich die Frage, ob Alleinerziehende auch mit universellen Angeboten angesprochen und erreicht werden sollten? Wenn ja – wie?

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