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Fit für Qualitätsentwicklung, Freude an Qualitätsentwicklung

Friederike Schulze ist Dipl. Sozialpädagogin, Master of Arts in Praxisforschung und seit 2013 für die Landeskoordination Frühe Hilfen im Land Berlin tätig. Sie ist Mitglied des beratenden Arbeitskreises der QDFH. Das Gespräch wurde für die im Oktober 2021 veröffentlichte Ausgabe des FRÜHE HLFEN aktuell geführt.

Frau Schulze, was hat der begleitete Prozess der QDFH den Kommunen gebracht?

Friederike Schulze: Der Qualitätsrahmen des NZFH war ein guter und wichtiger Auftakt, um Prozesse der Qualitätsentwicklung überhaupt mal auf Fragestellungen der Netzwerke herunterzubrechen. Das wurde auch gut in die Kommunen kommuniziert. Im weiteren Verlauf hat sich dann aber gezeigt, dass der Qualitätsrahmen tatsächlich oft noch zu weit weg von der Praxis oder zu abstrakt ist, dass die Netzwerke eine gewisse Befangenheit  hatten, damit zu arbeiten. Den Benefit der QDFH sehe ich in zwei Aspekten: Zum einen haben sie Zeit für die Auseinandersetzung mit Qualitätsentwicklung geschaffen und das ganze Verfahren zeitlich für die Kommunen gut strukturiert.

Und, was noch wichtiger ist, sie haben Know-how und Kompetenzen in das System Frühe Hilfen eingespeist. Sie haben dieses etwas abstrakte Konzept dialogorientierter Qualitätsentwicklung zu etwas gemacht, das die Kommunen in einem geschützten Rahmen ausprobieren konnten und das mit Fachwissen unterfüttert. Das Felsenweg-Institut, das im Auftrag des NZFH gearbeitet hat, war ein kompetenter und gut vorbereiteter Partner, der das Ganze vor Ort fachlich sehr gut begleitet hat. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Koordinierenden und die Akteure der Kommunen fit gemacht, sich Qualitätsentwicklungsprozessen von dialogischer Seite zu nähern und zu üben. Qualitätsentwicklungsprozesse, aber auch Forschungsansätze sind ja schwierig in die Arbeitsabläufe vor Ort zu integrieren, weil man sich da gut vorbereiten muss. Das ist den Kommunen ein Stück weit abgenommen worden. Sie mussten, mit Unterstützung ihrer Leitungsebene, „nur“ ihre zeitlichen Ressourcen und Arbeitskraft  einbringen, konnten aber viel an Wissen, Ressourcen und Ergebnissen mitnehmen, die sie weiterverwenden können. Was sie an Wissen und Erfahrungen gewonnen haben, kann später auch auf viele weitere Fragen der Qualitätssicherung übertragen werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte, um die Ergebnisse der QDFH vor Ort weiter zu fördern?

S: Die beteiligten Kommunen sollten dranbleiben können, das heißt die angestoßenen Prozesse regelhaft weiterführen, etwa durch dialogorientierte Qualitätszirkel oder regelmäßige Veranstaltungen. Das erarbeitete Material sollte gemeinsam mit dem Netzwerk immer wieder genutzt und weitere Schritte müssen geplant werden.

Genauso wichtig ist es die Kommunen, die nicht an den QDFH beteiligt waren, ins Boot zu holen. Dazu müssen die Erfahrungen und Materialien so aufbereitet werden, dass auch bislang unbeteiligte Kommunen Lust bekommen, neue Qualitätsentwicklungsprozesse auch auf ihre Arbeit zu übertragen. Wir freuen uns sehr auf die Veröffentlichung der Materialien!

Um das noch einzuschieben: Es erschien uns wie eine Mammutaufgabe, diesen großen zeitliche Anforderungen gerecht zu werden, aber gerade mit Corona haben wir diese Zeit unbedingt gebraucht. Die Kommunen hatten sich z.B. immer wieder dicke Arbeitsaufträge aus den Werkstätten mitgenommen, und sie brauchten auch die Zeit, um diese  zu bearbeiten und in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Was brauchen die Kommunen dafür?

S: Für die Teilnahme an den QDFH musste sich die fachliche Leitung positiv für die Teilnahme aussprechen , um diesen langen Prozess gestalten zu können, das erscheint in der Rückschau hilfreich. Die Leitungsebene muss gut involviert sein und hinter diesem Prozess der Qualitätsentwicklung stehen. Die QDFH sollten ja auch dazu beitragen zu prüfen, wie wir Ressourcen noch besser einsetzen können, wie wir verstärkt Akteure gewinnen können, wie wir Familien noch intensiver beteiligen können bei der Gestaltung Früher Hilfen. Darüber hinaus brauchen die Kommunen Zeit und Kompetenzen, um diese Prozesse gut leiten und begleiten zu können.

Die Kommunen wünschen sich auch weiterführende Unterstützung, etwa durch Multiplikatoren, die in den Kommunen Materialien vorstellen und weitere Prozesse begleiten, das wäre auch eine Entlastung für die Netzwerkkoordinierenden. Das können Personen aus dem NZFH sein, aber auch in den Kommunen könnten Personen fit gemacht werden, um Qualitätsentwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Da spielen wir als Landeskoordinierende auch eine Rolle, aber die zeitlichen Ressourcen sind natürlich knapp. Alle Kommunen zu begleiten, wird nicht machbar sein. Es braucht Fachkräfte  die das leisten können. Außerdem gilt es  Synergien herzustellen mit vorhandenen Strukturen. Da brauchen die Kommunen eigene  Ideen: Haben wir Kontakte, etwa zu einer Hochschule, mit der wir kooperieren könnten? Könnte Beratung aus dem Netzwerk erfolgen? Gibt es Studierende die Forschungserfahrung haben und Interesse an Netzwerkarbeit hätten? etc.

Wir dürfen in der Sozialen Arbeit auch die Freude an Qualitätsentwicklung nicht vergessen. Das ist eine wichtige Haltung, das Ganze nicht als Belastung, sondern als wichtigen und spannenden Prozess zu begreifen. Der ist herausfordernd, aber Qualitätsentwicklung hat ihre  Berechtigung und macht Spaß, wenn man sich einzelne Bereiche im Netzwerk anschaut. Der Fokus darf durchaus auch auf dem liegen, was gut funktioniert hat, wo man neue Netzwerkpartnerinnen und -partner gewonnen hat, warum bestimmte Angebote gut funktioniert haben. Das kann das Netzwerk dann in die Breite tragen, zum Beispiel in Jugendhilfeausschüsse. Man kann Ergebnisse aus diesen Prozessen als Türöffner nutzen, um auch auf politischer Ebene Erfolge zu kommunizieren. Damit haben die Netzwerke die Chance, den Wert Früher Hilfen für die Familien in der Kommune darzustellen. Da können Qualitätsentwicklungsprozesse sehr zu beitragen.

Letztendlich geht es immer um die Frage, wie man Familien noch besser erreichen kann. Und das ist auch für die politische Steuerung etwas Wesentliches. Daher sollte man bei Qualitätsentwicklung  nie die Perspektive der Zielgruppe aus den Augen verlieren: Was bringt das für unsere Ziele? Wie können wir aus unserem Tun einen Mehrwert für die Familien entwickeln? Wie können wir Familien auch besser direkt beteiligen?

Welche weiteren Schritte planen Sie konkret in den Kommunen?

S: Hierüber habe ich mich mit Frau Sperber ausgetauscht, der Netzwerkkoordinatorin in Berlin-Pankow. Pankow ist es sehr wichtig mit den Kommunen aus ihrem Cluster in Kontakt zu bleiben. Sie haben gemeinsam intensiv gelernt und würden dies gern weiterentwickeln. Dann schauen wir gerade, inwieweit die Erfahrungen aus den QDFH auf Landesebene auch in die nicht beteiligten Bezirke transferiert werden können. Der Bezirk Pankow plant dafür mit uns und dem NZFH einen gemeinsamen Transfer-Workshop auch für Koordinierende aus dem gesamten Berliner Raum. Parallel schauen wir, welche Forschungsprozesse im Land es gibt, welche Evaluationsvorhaben derzeit umgesetzt werden. Es geht um die Frage: Wie kann man weniger parallel arbeiten, sondern wie kann man vorhandene Ansätze bündeln und Synergieeffekte erzeugen?

Im direkten Austausch kann man Erfahrungen aus den Qualitätsdialogen besser transportieren, als wenn nur die Materialien bereitgestellt  werden. Man kann auch über Fehler reden, was nicht gut gelaufen ist, das ist auch ein wichtiger Aspekt der Qualitätsentwicklung. Da wird Pankow mit seinen Akteuren lebhaft berichten können. Mich hat das Engagement der Fachkräfte und der Koordinatorin sehr beeindruckt! Das war kein Selbstläufer, weil die Netzwerkkoordinatorin während der QDFH gewechselt hat. Die neue Koordinatorin Frau Sperber wurde dann hervorragend informiert und von den Akteuren da hineingeholt. Alle haben an einem Strang gezogen, damit der Prozess nicht abreißt, das war großartig.