Rückbesinnung auf die "Basics" Sozialer Arbeit und eine empathische und hilfeorientierte Grundhaltung
Sowohl die Aufgabe als auch die Verantwortung, die Fachkräfte im Kinderschutz tragen, wiegen schwer und können Fachkräfte massiv unter Druck setzen. Um die Fachkräfte bei ihrer anspruchsvollen Tätigkeit zu unterstützen, ihnen Orientierung zu geben und zugleich fachliche Standards zu setzen, werden vom Gesetzgeber und von den Institutionen zunehmend Verfahrensvorgaben gemacht. Die Vielzahl an solchen Handlungsleitlinien und Dienstanweisungen scheint die Nebenwirkung zu entfalten, dass das Abarbeiten von Arbeitsschritten in den Vordergrund tritt und wichtige Grundlagen Sozialer Arbeit aus dem Blick geraten.
Grundhaltung von Wertschätzung, Empathie und Mitgefühl
Eine von Empathie und Mitgefühl gegenüber den Eltern geprägte Haltung und Verständnis für ihre Ängste, Sorgen und Nöte hat kaum mehr Platz, beziehungsweise erscheint im Kinderschutz fast schon kontraproduktiv. Belastungen oder Krisen in Familien werden demzufolge allein in ihrer Bedeutung für den Kinderschutz betrachtet. In der Konsequenz werden die Eltern nur noch mit der Forderung konfrontiert, dafür zu sorgen, dass das Kind geschützt wird. Sagen Klientinnen oder Klienten Termine ab, weil sie zum Beispiel ein Familienmitglied in einer akuten Krise unterstützten wollen, wird dies schnell als Vorwand und Versuch eingeordnet, den Kontakt zum Hilfesystem zu vermeiden. Berichten Frauen von Verletzungen und Übergriffen durch ihren Partner, scheint kaum mehr Zeit und Raum vorhanden zu sein, sich mit den Folgen für die Frau zu beschäftigen. Stattdessen werden die Frauen alleine in ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind angesprochen und aufgefordert, für den Schutz des Kindes zu sorgen. Sollte dies der Kindsmutter nicht gelingen, muss sie mit einer Fremdunterbringung des Kindes rechnen.
Auch die Diskussion von Risiken und Nebenwirkungen sozialarbeiterischer Entscheidungen scheint insbesondere dann, wenn es um die Folgen für die Eltern geht, kaum mehr Platz zu haben. So verwies Heinz Kindler in seinem Vortrag auf eine Studie, die eine erhöhte Mortalität von Müttern, deren Kinder fremduntergebracht wurden, zeigt.
Von den Expertinnen und Experten wurden daher die folgenden Forderungen aufgestellt:
- Eine dem Wohle der Klientinnen und Klienten verpflichtete Haltung sollte stark gemacht werden. Das Ziel des Helfens und Begleitens im Kinderschutz sollte in eine von Empathie geprägte Grundhaltung eingebettet sein.
- Im Diskurs über die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz sollten der Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung und die Verbesserung der beraterischen Gespräche nicht als neue oder gar zusätzliche Aufgaben, sondern als Basis des sozialarbeiterischen Handelns im Alltag betrachtet werden.
- Entsprechend sollten Fachkräfte bereits in der Ausbildung, spätestens jedoch mit Beginn ihrer Arbeit im Kinderschutz in geeigneter Form geschult werden. So können zum Beispiel Methoden, wie das Motivational Interviewing oder Ansätze wie Signs of Safety, dazu beitragen, einerseits empathisch, wertschätzend und zuhörend auf Eltern einzugehen und zugleich die Risiken für das Kind und die Anforderungen an dessen Schutz angemessen zu thematisieren.