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"Welche Auswirkungen haben mütterlicher Stress und Trauma auf die fetale und frühkindliche Entwicklung ihres Kindes?"

Vortrag von Prof. Dr. Claudia Buß, Institut für Medizinische Psychologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Zusammenfassung des Vortrags

Prof. Dr. Claudia Buß, Institut für Medizinische Psychologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin, befasste sich in Ihrem Vortrag mit den Auswirkungen von mütterlichem Stress und Trauma auf die fetale und frühkindliche Entwicklung des Kindes. Dabei bezog sie sich auf umfangreiche Studien, die unter anderem an der Charité Berlin und der University of California Irvine durchgeführt wurden. 

Die Forschungen belegen einen Zusammenhang zwischen anatomischen wie funktionellen Veränderungen im Gehirn des Kindes und mütterlichem Stress bzw. Depression oder Ängstlichkeit während der Schwangerschaft. Der Fötus kann also über stress-sensitive physiologische Veränderungen Signale mütterlichen Stresses empfangen. Dies kann Konsequenzen für affektive und kognitive Prozesse haben. Dabei spielt die Plazenta eine zentrale Rolle. Das fetale Organ reagiert sehr sensibel auf eine vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen sowie auf entzündliche Reaktionen und eine stressbedingt reduzierte Durchblutung. Prof. Dr. Claudia Buß zeigte unter anderem, dass erhöhte mütterliche Cortisol-Konzentrationen während der Schwangerschaft beim Fötus nachweislich zu einem erhöhten Volumen der Amygdala führen können – dem Angstzentrum im menschlichen Gehirn. Mögliche Folgen sind beispielsweise depressive Symptome oder andere affektive Störungen. 

Auch traumatische Erfahrungen in der Kindheit der Mutter wirken sich auf ihre Kinder aus: Sie sind mit einer Reduktion des Gehirnvolumens beim Neugeborenen assoziiert. Der größte Teil des Effekts ist bedingt durch eine Verringerung der grauen Hirnsubstanz. Dies hat Einfluss auf die sozio-emotionale Entwicklung. „Die intergenerationale Transmission der mütterlichen Kindheitstrauma-Effekte“, so Prof. Dr. Claudia Buß, „beginnt bereits während der intrauterinen Entwicklungsphase des Kindes.“ 

Frau Prof. Buß leitete daraus Anforderungen für die Frühen Hilfen ab. So gehe es vor allem darum, vulnerablen Frauen frühestmöglich Unterstützung anbieten zu können. Bei vulnerablen Kindern sei die hohe Plastizität des Gehirns in der frühen Kindheit zu nutzen, um effektive Interventionen einzuleiten. 

Kritisch wies Prof. Dr. Claudia Buß abschließend auf eine Gefahr hin: Schwangere Frauen könnten sich durch diese Forschungsergebnisse und durch die daraus resultierende mediale Berichterstattung zusätzlichem Stress ausgesetzt sehen. Von Stress oder psychischen Einschränkungen betroffene Mütter dürften sich nicht schuldig fühlen für eine langfristige Erkrankung ihres Kindes. Zugleich seien auch Stress-Einflüsse zu berücksichtigen, die sich durch gesellschaftliche Verhältnisse ergeben: „Wie können wir für Frauen bereits vor der Schwangerschaft die bestmöglichen Umstände schaffen, damit ihr Kind eine gesunde intrauterine Entwicklung erfährt?“ Das Netzwerk Frühe Hilfen habe an dieser Stelle eine wichtige Funktion.