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Eröffnung und Fachvortrag

der Staatssekretärin Beate Bröcker überbracht von Ilona Oesterhaus, Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt

- es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie zu der „Überregionalen NetzwerkeKonferenz“ hier im Rathaus der Landeshauptstadt. Es freut mich, dass wir dies gemeinsam mit dem Nationalen Zentrum Frühe Hilfen umsetzen können. Vorbereitet wurde die Konferenz unter intensiver Beteiligung der kommunalen Gebietskörperschaften in Sachsen-Anhalt. Dies spiegelt die erforderliche Trias der Ebenen „Bund“, „Länder“ und „Kommunen“ bei einer erfolgreichen Umsetzung von gelingenden Frühen Hilfen eindrücklich wider.

Mit dieser Konferenz knüpfen wir an die erfolgreichen Veranstaltungen des Ministeriums in den Jahren 2010 und 2012 an. Ich freue mich, dass auch diese Konferenz auf so ein großes Interesse stößt. Erneut können wir Kolleginnen und Kollegen aus allen Berufsgruppen und Einrichtungen begrüßen, die sich im Kinderschutz/in den Frühen Hilfen engagieren. Und auch diese Konferenz ist wieder vollkommen ausgebucht.

Bundeskinderschutzgesetz

Mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen Bundeskinderschutzgesetz wurden neue und wichtige Impulse in die Länder gegeben. Maßgebliches Element, das auch für die heutige Veranstaltung eine zentrale Rolle spielt, ist dabei die Bundesinitiative Frühe Hilfen.

„Frühe Hilfen“ sind kein neuer Förderbereich. Vielmehr geht es dabei um die konsequente Zusammenführung von bestehenden Unterstützungs- und Hilfssystemen auf regionaler Ebene. Die Herausforderung dabei ist die Einbeziehung der verschiedenen Professionen, die im Kontext des Kindeswohls und der Kindergesundheit miteinander kooperieren müssen.

In Sachsen-Anhalt können wir bei der Umsetzung dieser Bundesinitiative bereits auf gute Grundlagen zurückgreifen. Nun gilt es, diese aufgebauten Strukturen zu nutzen und den notwendigen Präventionsansatz auszubauen. Der Bund stellt Sachsen-Anhalt für die Bundesinitiative in diesem Jahr ca. 1,38 Mio. € zur Verfügung. In den kommenden zwei Jahren sind dies jeweils ca. 1,56 Mio. €.

Lokale Netzwerken Kinderschutz

Im Land trat bereits Ende 2009 das Landeskinderschutzgesetz in Kraft.

Maßgebliches Element unseres Landeskinderschutzgesetzes ist die Einrichtung von Lokalen Netzwerken Kinderschutz. Uns im Land hat frühzeitig die Frage der erforderlichen Vernetzung und Kooperation für einen erfolgreichen Kinderschutz beschäftigt. Deshalb wurde in diesem Gesetz 2009 der verbindliche Auf- und Ausbau von Netzwerkstrukturen verankert. Diese Netzwerke sind von den Jugendämtern zu initiieren und zu koordinieren. In ihnen sollen alle erforderlichen Dienste und Berufsgruppen einbezogen werden.

Dies hört sich immer sehr abstrakt an. Sie als aktive Mitstreiterinnen und Mitstreiter wissen aber, dass die frühzeitige Unterstützung von jungen oder werdenden Familien bereits in der Gynäkologischen Praxis, bei den Hebammen, in der Geburtsklinik oder aber auch in Schwangerschaftsberatungsstellen beginnen kann. Alle schwangeren Frauen gehen zur Frauenärztin, Hebamme und Geburtsklinik. Wenn bereits dort Anzeichen für besonderen Unterstützungsbedarf aufgrund von persönlichen oder familiären Belastungen erkennbar werden, so müssen Sie Kenntnis über die Angebote anderer Einrichtungen haben. Einrichtungen, die mit ihren spezifischen Angeboten auf die einzelnen Problemlagen gezielt eingehen können. Ein Workshop heute behandelt speziell die Verknüpfung von Aktivitäten in Geburtskliniken zur Erkennung von Unterstützungsbedarf und die Vermittlung an weitergehende Unterstützungsmaßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Aber auch über das Gesundheitswesen hinaus muss auf das Kindeswohl geachtet werden – so z.B. in den Kitas, den Schulen, in Erziehungsberatungsstellen – um an dieser Stelle nur einige zu nennen. Und auch diese Einrichtungen müssen wissen, wen sie fragen und mit wem sie kooperieren können.

Um Anzeichen von Kindeswohlgefährdungen zu erkennen, bedarf es Handlungssicherheit. Das Land hat seit 2006 bereits mehr als 1.300 Kinderschutzfachkräfte – vor allem in Kindertageseinrichtungen und in den Jugendämtern – qualifiziert. Sie werden bei ersten Verdachtsfällen einer Kindeswohlgefährdung in den Einrichtungen hinzugezogen und beraten bei der Einschätzung, ob wirklich ein solcher Fall vorliegt und begleiten das evtl. notwendige weitere Verfahren.

Um die Handlungssicherheit bei den Akteuren im Kinderschutz zu erhöhen, hat das Ministerium zusammen mit der Techniker-Krankenkasse und der „Allianz für Kinder“ Leitfäden für die Ärzteschaft und für Pädagoginnen und Pädagogen herausgegeben. Diese sind in der Praxis wirklich sehr gut angekommen und innerhalb kürzester Zeit waren die gedruckten Exemplare vergriffen. In Kürze beginnen wir mit der TK und unter Einbeziehung der Ärztekammer die Arbeit an der Aktualisierung dieser Leitfäden.

Mittlerweile sind in allen Jugendamtsbezirken des Landes Sachsen-Anhalt lokale Netzwerke Kinderschutz/Frühe Hilfen und Koordinationsstellen eingerichtet. Mit Mitteln der Bundesinitiative werden diese Netzwerke mit dem Schwerpunkt Frühe Hilfen ausgebaut werden.

Das Land hat dabei frühzeitig interessiert, wie sich die Arbeit dieser Netzwerke entwickelt. Dabei war eine wichtige Frage, ob es gelingt, die erforderlichen Partner in die Kooperation einbeziehen zu können. Neben dieser quantitativen Frage war für uns auch von Interesse, ob und wie sich die erweiterte Kooperation in der Qualität der Kinderschutzarbeit niederschlägt.

Wir waren positiv überrascht von den Ergebnissen:

Vorweg geschickt: Es ist ein bundesweites Phänomen, dass die Einbeziehung des Gesundheitswesens in die lokale Netzwerkarbeit schwierig ist. Die Kliniken sind dabei gut integriert. In allen Netzwerken im Land sind die Geburtskliniken eingebunden. Vor allem bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ist die Einbindung aufgrund der Struktur der Freiberuflichkeit und der Absicherung der Öffnungszeiten der Praxen aber schwierig. Es hat uns deshalb positiv überrascht, dass die Mitarbeit dieser wichtigen Partner in den Netzwerken im letzten Jahr stark gesteigert werden konnte. Die Einbeziehung von Kinderärzten hat sich von 23 Prozent auf 85 Prozent erhöht, die von Hausärzten von 0 auf 31 Prozent, die von Gynäkologen ebenfalls von 0 auf 15 Prozent.

Dieser – quantitative - Erfolg soll uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer noch Anstrengungen notwendig sind. Deshalb hat das Ministerium die Universität Halle- Wittenberg beauftragt, eine Erhebung unter den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie den freiberuflichen Hebammen durchzuführen. Wir wollen wissen, wie der allgemeine Kenntnisstand der gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen zum Kinderschutz/den Frühen Hilfen ist und welche hemmenden aber auch förderliche Strukturen seitens der niedergelassenen Ärzte und Hebammen benannt werden, um sich in die Kinderschutzarbeit einzubringen. Mit ersten Ergebnissen ist Ende des Jahres zu rechnen.

Mit der konkreten Mitarbeit – den Möglichkeiten und Grenzen der Einbeziehung von niedergelassenen Medizinerinnen und Medizinern -beschäftigt sich ein spezieller Workshop auf dieser Konferenz.

Auch qualitativ hat sich die Zusammenarbeit in den Netzwerken verbessert. In 90 Prozent der Netzwerke hat sich die Kenntnis über Angebote anderer Partner und der Informationsfluss untereinander verbessert. In 60 Prozent konnte eine Vertiefung der Kenntnisse über die Strukturen anderer Institutionen erreicht werden und ebenfalls in 60 Prozent hat sich die Zusammenarbeit im Einzelfall verbessert.

Bei der Betrachtung dieser Zahlen muss bedacht werden, dass sich dies innerhalb von zwei Jahren entwickelt hat. Wer in Netzwerken mit verschiedenen Berufsgruppen arbeitet, weiß, dass die Annäherung untereinander nicht immer einfach ist. Deshalb sehe ich diese Werte als gute Ergebnisse nach so kurzer Zeit der Netzwerkkooperation an.

An dieser Stelle ist an alle Beteiligten ein ganz großer Dank zu richten. Es ist eine „Kärnerarbeit“, die Sie vor Ort leisten und nur durch Ihr Engagement sind diese Ergebnisse zum Wohle der Kinder und ihrer Familien möglich geworden. Es ist Ihr Erfolg.

Familienhebammen

Der zweite Förderbereich der Bundesinitiative ist die Förderung der Familienhebammen-Tätigkeit. Hier konnten wir im Land auf wichtige Grundlagen aufbauen. Von 2006 bis 2011 wurde das Landesmodellprojekt erfolgreich umgesetzt.

Ende 2011 waren 48 Familienhebammen in Sachsen-Anhalt tätig. Mit dem Inkrafttreten des Bundeskinderschutzgesetzes und in Umsetzung der Bundesinitiative wurde es erforderlich, die Zuständigkeit für die Tätigkeit von Familienhebammen auf die Kommunen zu überführen. Die Kommunen haben den übergreifenden Einblick in Bedarfslagen von Familien in ihrer Region und können mit diesem Wissen die Hilfeleistung der Familienhebammen gezielt mit weiteren Hilfs- und Unterstützungsangeboten verknüpfen.

Familienhebammen werden aber auch von Familien angefragt, die den Jugendämtern noch nicht bekannt sind, die aber ebenfalls einen hohen Unterstützungsbedarf haben. Dieser niedrigschwellige Ansatz auch durch Selbstmelderinnen ist ein wichtiger Zugang zu der Zielgruppe der Frühen Hilfen. Auch nach der Übertragung an die Kommunen muss diese Möglichkeit weiter aufrechterhalten werden.

Die Übertragung an die Kommunen hat allen Beteiligten viel Anstrengung abverlangt. Bei den Verhandlungen über Vertragsinhalte und Honorarhöhen hat sich gezeigt, wie problematisch es ist, wenn zwei Sozialsysteme mit den verschiedenen Hintergründen „aufeinanderprallen“.

Der Prozess der Annäherung ist in wenigen Kommunen noch nicht umfassend abgeschlossen und auch für die Optimierung der Zusammenarbeit werden noch Anstrengungen erforderlich sein.

Herzlich bedanken möchte ich mich aber an dieser Stelle für die Anstrengungen, die von allen Beteiligten in diesem herausfordernden Prozess unternommen wurden, so dass das wichtige Angebot der Familienhebammen für die Familien weitergeführt wird.

Einbeziehung ehrenamtlichen Engagements

Der dritte Baustein der Bundesinitiative ist die Einbeziehung ehrenamtlichen Engagements. In diesem Bereich fördert das Land das Projekt der Familienpaten und - patinnen. Hier ist es uns wichtig, einen einheitlichen Qualitätsstandard in der Qualifizierung der Patinnen und Paten abzusichern und die Träger und Einsatzstellen vor Ort bei ihrer verantwortlichen Tätigkeit der Begleitung der Patinnen und Paten zu unterstützen. Die konkrete Umsetzung passiert dabei vor Ort und orientiert sich an den örtlichen Bedarfen. Seit 2011 haben sich in zwölf Gebietskörperschaften an insgesamt 16 Standorten freie Träger bei der Qualifizierung der Paten und Patinnen engagiert. Bis Ende dieses Jahres werden landesweit über 200 Familienpaten und -patinnen ausgebildet sein. Bereits jetzt haben mehr als 200 Familien von dieser niedrigschwelligen Unterstützung bei der Bewältigung des Familienalltags profitieren können. In Umsetzung der Bundesinitiative ist dabei abzusichern, dass die Träger dieses Angebotes in die Lokalen Netzwerke integriert sind. Hier ist noch Ausbaubedarf, denn in nur 38 Prozent der Lokalen Netzwerke waren im Jahr 2012 die Träger von örtlichen Familienpatenangeboten in diese Struktur eingebunden.

Bei dem Förderstrang des Ehrenamtlichen Engagements im Rahmen der Bundesinitiative wollen wir über das Angebot der Familienpaten hinausgehen. Die Frage, wie ehrenamtliches Engagement generell in die Frühen Hilfen integriert werden kann – bspw. bei der Umsetzung von Willkommensbesuchen - wird auch auf der heutigen Konferenz eine Rolle spielen.

Zusätzliche Angebote

Kreativität und bedarfsorientierte Entwicklung der sogenannten „zusätzlichen Angebote“ von Frühen Hilfen haben die Kommunen in dem vierten Förderstrang der Bundesinitiative bewiesen. Hier will ich die Wichtigkeit der jeweiligen kommunalen Bedarfsplanung unterstreichen. Sie als kommunale Akteurinnen und Akteure – und da sind sowohl die öffentlichen Träger wie auch die freien Träger angesprochen – wissen am besten, wo welche Problemlagen sind und mit welchen Angeboten auf diese Bedarfe reagiert werden sollte. Das gemeinsame Ziel dabei ist immer, Familien oder junge Frauen frühzeitig und niedrigschwellig erreichen zu können.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Sehr geehrte Damen und Herren, mit der Umsetzung der Bundesinitiative in Sachsen-Anhalt wird die Prävention im Kinderschutz weiter ausgebaut. Vorbeugen ist besser als Heilen. Dieser Satz hat im Kinderschutz eine ganz herausragende Rolle.

Was sagt uns hierzu die Statistik:

Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Dies hat nicht nur mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung zu tun.

Im Zusammenhang mit dem Kinderschutz schauen wir vor allem auf die Zahlen von Leistungen der Hilfen zur Erziehung. Die Anzahl der Gesamthilfeleistungen betrug im Jahr 2008 in Sachsen-Anhalt ca. 11.460 Hilfen und im Jahr 2011 insgesamt 11.997 Hilfen. Überproportional sind dabei die Kosten gestiegen. Betrugen diese im Jahr 2008 ca. 136 Mio. €, so stieg der finanzielle Aufwand auf knapp 163 Mio. € im Jahr 2011. Das ist eine Steigerung um ca. 20 Prozent.

Kostenintensiv sind die stationären Hilfen. Hier lohnt sich ein Blick auf die Zahl der Inobhutnahmen, die oft zu den stationären Hilfen führen:

Bundesweit ist diese Zahl im letzten Jahr stark angestiegen und fast 40.000 Kinder und Jugendliche wurden von den Jugendämtern bundesweit in Obhut genommen. In Sachsen-Anhalt konnten wir jedoch - entgegen dem Bundestrend - einen leichten Rückgang im Vergleich zu den letzten zwei Jahren feststellen. Waren es im Jahr 2011 in Sachsen-Anhalt 1.155 Inobhutnahmen, so reduzierte sich diese Zahl im Jahr 2012 auf 1.082. Dies darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Anzahl der Inobhutnahmen im Vergleich zu 2006 – damals waren es 823 Inobhutnahmen – dennoch deutlich zugenommen hat.

Interessant ist auch ein Blick auf die Altersstruktur: Kinder unter 3 Jahren waren mit einem Anteil von knapp 13 Prozent Betroffene einer vorläufigen Schutzmaßnahme. Am häufigsten war die Altersgruppe von 14 – 18 Jahren mit einem Anteil von knapp 40 Prozent beteiligt. Bei knapp der Hälfte der Fälle (139-mal) endete die Maßnahme mit der Rückkehr des Kindes in die Familie (dies ist eine Steigerung von 6 Prozent zum Vorjahr). Bei der Einleitung von Maßnahmen außerhalb des Elternhauses kam es in Sachsen-Anhalt zu einer Reduzierung von ca. 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr (insg. 250-mal im Jahr 2012). Auch diese Reduzierungen sind Entwicklungen entgegen dem bundesweiten Trend. Und wir alle wissen, dass erzieherische Maßnahmen außerhalb des Elternhauses z.B. in Kinderheimen oder Pflegefamilien weitaus teurer sind, als eine Unterstützung der Familien bei der Bewältigung der Erziehungs- und Fürsorgeaufgaben.

Diese Zahlen zeigen, dass eine frühzeitige Prävention für die Familien und deren Kinder immens wichtig ist. Ja: Prävention kostet Geld. Aber: Prävention zahlt sich doppelt aus. Sie zahlt sich aus für die Familien und die betroffenen Kinder, die Unterstützung und Hilfe erfahren. Und Prävention zahlt sich für die gesamte Gesellschaft aus. Die Folgekosten von unterlassener Prävention sind um ein Vielfaches höher, als frühzeitige Unterstützungsleistungen kosten.

Nutzung der vorhandenen Finanzen

Wie wir alle wissen, haben wir uns in Deutschland zu einer Schuldenbremse verpflichtet. Ab dem Jahr 2020 müssen die Länder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen; das heißt, wir dürfen keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Umso wichtiger ist die strategisch kluge Nutzung der vorhandenen Finanzen. Das Nationale Zentrum hat hier eine wichtige Datengrundlage zur Verfügung gestellt. 2011 wurde die Kosten-Nutzen-Analyse von Leistungen der Frühen Hilfen veröffentlicht. Hier wurden sehr detailliert die Aufwendungen von Früher Förderung/Frühen Hilfen den möglichen Folgekosten bei unterlassener Prävention gegenübergestellt.

Als Frühe Förderung/Hilfen wurden unter anderem aufgeführt:

  • Besuch einer Krippe/ einer Kita incl. frühkindlicher Bildung;
  • Betreuung durch Familienhebammen;
  • Maßnahmen der Frühförderung, Elternkurse.

Als erforderliche Folgemaßnahmen bei Unterlassung von präventiven Unterstützungsangeboten schlugen unter anderem zu Buche:

  • Kosten von betreutem Wohnen,
  • stationäre Behandlungen

und auch

  • gesellschaftliche Kosten, wenn etwa durch eine Lernbehinderung später kein Beruf ausgeübt wird incl. der erforderlichen Sozialtransferleistungen, entgangenen Steuereinnahmen.

Wie sieht die finanzielle Relation nun aus? Einem Mitteleinsatz von geschätzten 34.000 € für frühzeitige präventive Maßnahmen stehen bei Unterlassung der Unterstützungsangebote im gravierendsten Fall Folgekosten in Höhe von mehr als einer Million Euro gegenüber. Frühe Hilfen rechnen sich also und zahlen sich doppelt aus.

Dies sollte allen Verantwortlichen in den Kommunen bewusst sein, wenn es um die Verteilung der knappen Haushaltsmittel geht.

Politikstrategien

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte bei den umfänglichen und wichtigen Maßnahmen der „Bundesinitiative Frühe Hilfen“ nicht stehenbleiben. Für eine umfassende Prävention bedarf es eines breiteren Ansatzes als der Bundesgesetzgeber dieser Bundesinitiative mit auf den Weg hat geben können.

Ich sehe es aber als sehr wichtig an, dass wir bei einem erforderlichen umfassenden Konzept des Kinderschutzes auch über den Tellerrand der - wenn auch sehr breit angelegten – Bundesinitiative hinaus blicken. Darum möchte ich auf zwei Politikstrategien eingehen.

Der erste Punkt ist:

Vermeidung von materieller Armut

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Geringe finanzielle Ressourcen führen nicht automatisch zum Risiko einer Kindeswohlgefährdung. Eine Studie der Stadt Nürnberg hat 2008 eindrücklich gezeigt, dass sich die überwiegende Zahl von Eltern im SGB II-Leistungsbezug in ihren eigenen persönlichen Wünschen extrem einschränken, um ihren Kindern ein Aufwachsen ohne das Gefühl eines Verzichtes zu ermöglichen.

Knappe finanzielle Ressourcen gehen aber oftmals einher mit sozialer Isolierung – vor allem, wenn kein Zugang zum Erwerbsleben gegeben ist. Auch leben einige Eltern ihren Kindern oft wichtige soziale Kompetenzen nicht mehr vor. Auch wenn in Sachsen- Anhalt der Indikator „Kinderarmut“ in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat, so haben wir in unserem Land bundesweit die dritthöchste Quote von Kinderarmut.

In einigen Familien sind die Kinder mitunter die einzigen Familienmitglieder, die einem geregelten Tagesablauf nachgehen. Junge Eltern, die in ihrem Leben noch keinen geregelten Arbeitsalltag hatten und ihren Kindern eben nicht diese Struktur vorleben konnten, sollen durch ein Projekt der Arbeitsmarktabteilung des Sozialministeriums Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Mit dem Ansatz des „Familienintegrationscoaches“ erhoffen wir uns nicht nur einen Beitrag zur Absicherung des eigenen Lebensunterhaltes für die Eltern. Das Durchbrechen der sozialen Isolation durch Arbeitslosigkeit und die Vermittlung von Alltagsbewältigungsstrategien an die Kinder ist dabei ein Ziel des mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanzierten Projektes. Wir erhoffen uns damit, dass soziale Isolierung und Arbeitslosigkeit eben nicht von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, sondern dass Kindern die wichtige Perspektive sozialer Sicherheit und die Wichtigkeit sozialer Eingebundenheit in den Familien vermittelt werden. Dieses Projekt wird auf dieser Konferenz vorgestellt und die Zusammenarbeit mit den lokalen Netzwerken wird diskutiert.

Der zweite Punkt für ein erforderliches Gesamtkonzept:

Vermeidung von Bildungsarmut

Seit der PISA-Studie ist uns klar: Materielle Armut hat Einfluss auf den Bildungsabschluss. Hier verfolgt das Land das Ziel, dass durch einen frühzeitigen Bildungsansatz mit dem Besuch der Kita die Bildungschancen für alle Kinder verbessert werden. Das Land hat mit dem novellierten Kinderförderungsgesetz den Ganztagsanspruch auch für alle Kinder wieder eingeführt. Damit wird ein ganztägiger Zugang zu den Maßnahmen der frühkindlichen Bildung für alle Kinder in den Kitas ermöglicht. Wir sind überzeugt, dass dies - im Sinne der oben genannten frühzeitigen Unterstützung – sehr gut angelegtes Geld ist.

Dies sind nur zwei kleine, aber enorm wichtige Mosaiksteine in einem umfassenden Kinderschutzkonzept, das perspektivisch über die Anstrengungen der Frühen Hilfen hinausgehen muss.

Meine Damen und Herren,
„VonEinander Lernen“ ist das Motto der heutigen Veranstaltung. Auf der Konferenz werden Sie sich intensiv mit örtlichen Projekten und Initiativen beschäftigen und ich bin überzeugt, dass Sie alle mit vielen neuen Ideen und Anregungen in Ihre Regionen zurückfahren und voneinander haben lernen können.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alle eine interessante und erfolgreiche Tagung.