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Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz 2008

TOP 1.3 Kinderschutz - Zwischenbericht

Die Regierungschefs der Länder empfehlen der Bundeskanzlerin folgenden gemeinsamen Beschluss:

I. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder nehmen den Bericht zur Umsetzung ihres Beschlusses zum Thema "Kinderschutz" vom 19. Dezember 2007 zur Kenntnis.

II. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder begrüßen, dass bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt worden sind:

1. Starke Netze für Kinder und Eltern knüpfen
In vielen Kommunen wurden örtliche Kinderschutzkonzeptionen entwickelt, Kooperationsnetzwerke gegründet und zahlreiche Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen.

2. Verbindlichkeit von Vorsorgeuntersuchungen herstellen
Viele Länder haben gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht, um die Anzahl der an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmenden Kinder zu erhöhen. Ein Gesetzentwurf, der die Krankenkassen durch eine Ergänzung in § 26 SGB V dazu verpflichtet, durch den Abschluss von Rahmenvereinbarungen mit den Ländern auf eine Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen hinzuwirken, befindet sich im Gesetzgebungsverfahren.

3. Vorsorgeuntersuchungen besser und engmaschiger gestalten
Die eindeutige Feststellung, dass der untersuchende Arzt bei erkennbaren Zeichen einer Kindesvernachlässigung oder -misshandlung die notwendigen Schritte einzuleiten hat, wurde mit Wirkung vom 16. April 2008 in die Kinderrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aufgenommen. Der G-BA hat am 15. Mai 2008 die Einführung einer zusätzlichen Untersuchung für Kinder im Alter von 3 Jahren (U7a) sowie die Verlängerung der Toleranzgrenze der U6 um einen Monat beschlossen. Der Beschluss tritt am 1. Juli 2008 in Kraft.

4. Kinder brauchen die beste Förderung von Anfang an
Der Entwurf eines Kinderförderungsgesetzes zum Ausbau der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen wurde von der Bundesregierung beschlossen. Er befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren und soll spätestens zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.

5. Wächteramt der Familiengerichte und Jugendämter stärken
Auf der Grundlage des vom Deutschen Bundestag am 24. April 2008 in 2./3. Lesung beschlossenen Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls werden die Familiengerichte zum Schutz gefährdeter Kinder frühzeitig tätig und die Eltern stärker als bisher zur Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung angehalten werden können.

III. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder kommen überein, darauf hinzuwirken, dass folgende weitere Maßnahmen für einen wirksameren Kinderschutz umgesetzt werden:

Gesetzliche Regelungen

1. Anstrengungen für Kinder in Not verstärken
Bei Vorliegen gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung muss das Jugendamt die Pflicht wahrnehmen, das gefährdete Kind und in der Regel auch dessen persönliches Umfeld in Augenschein zu nehmen, um sich einen unmittelbaren Eindruck von Kind und Eltern zu verschaffen. Dies soll durch eine Novellierung des § 8a SGB VIII gewährleistet werden.

2. Datenschutz darf Kinderschutz nicht behindern
a) Zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Abwägung der Schweigepflicht von Berufsgeheimnisträgern mit dem Kinderschutz soll eine bundeseinheitliche Rechtslage durch eine entsprechende gesetzliche Befugnisnorm außerhalb des Strafrechts geschaffen werden. Die Fachressorts von Bund und Ländern werden gebeten, hierzu einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.
b) Das Bundeszentralregistergesetz soll mit dem Ziel geändert werden, ein mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz „erweitertes Führungszeugnis“ für kinder- und jugendnah Beschäftigte einzuführen.
c) Im Kinder- und Jugendhilfegesetz soll geregelt werden, dass beim Wohnortwechsel dem neuen Jugendamt alle für die Kinder- und Jugendhilfe notwendigen Informationen über eine Familie übermittelt werden.

Sonstige Maßnahmen

1. Starke Netze für Kinder und Eltern knüpfen
a) Die Vorschläge für vernetzte Strukturen sowie regelhafte soziale
Frühwarnsysteme und Fördersysteme werden von Bund und Ländern gemeinsam unterstützt. Es besteht Einvernehmen, dass Netzwerke Früher Hilfen und soziale Frühwarnsysteme nur mit einer wirksamen Koordinierung gelingen können. Niederschwelligen, aufsuchenden Hilfen kommt dabei eine große Bedeutung zu.
b) Um Defizite im Kinderschutz zu identifizieren und um aus problematischen Kinderschutzverläufen zu lernen, wird das Nationale Zentrum Frühe Hilfen in Abstimmung mit Bund und Ländern eine Plattform für einen regelhaften Erfahrungsaustausch einrichten.

2. Datenschutz darf Kinderschutz nicht behindern
Der Vollzug der bundes- und landesrechtlichen Instrumentarien in Bezug auf den Kinderschutz soll durch konsequente Anwendung sowie verbesserte Aus-, Fort- und Weiterbildung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestärkt werden. Staatsanwaltschaften und Strafgerichte sollen bestehende Übermittlungsregelungen (Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen, MiStra) an das Jugendamt oder andere öffentliche Stellen bei einer Gefährdung des Kindeswohls verstärkt nutzen.

3. Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Jugendämtern verbessern
Die Prüfung, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Maßnahmen zur Förderung einer reibungslosen Zusammenarbeit der Familiengerichte mit den Jugendämtern erforderlich sind, soll in der beim Bundesministerium der Justiz eingerichteten Arbeitsgruppe "Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls - § 1666 BGB" fortgeführt werden.